Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
171 Romantik (1795–1835) Einklang mit der Natur, wie dies etwa für die Antike gilt. In der Moderne ist diese Einheit aber verloren ge gangen. Die „sentimentalische“ Dichtung strebt da nach, diese Einheit wiederzufinden. Als „sentimentali sche“ Dichter sehen sich auch die Romantiker. Natur begeisterung ist für sie keine rührselige Schwärmerei, sondern ein Programm gegen die einseitige Erklärung der Welt durch Logik und Vernunft. Ohne Romantiker keine Weltliteratur Der erste gedruckte Beleg für den Begriff „Weltlitera tur“ stammt zwar nicht von den Romantikern, son dern von Goethe. Er verstand „Weltliteratur“ als die Gesamtheit der Literatur aller Völker. In einer Zeit der Internationalisierung von Handel, Verkehr, Kommuni kation sollten die nationalen Literaturen sich nicht voneinander abschotten. Sie sollen im Gegenteil dazu beitragen, dass auf der Welt das „Gefühl nachbar- schaftlicher Verhältnisse“ entsteht, und so eine huma nere Welt schaffen. Dabei spielt die Vermittlung der Literatur durch Übersetzungen eine wichtige Rolle. Gerade die Romantiker fördern mit ihren Übersetzun gen die Kenntnis anderer Literaturen. Die Reihe der romantischen Übertragungen beginnt mit Ludwig Tiecks Übertragung des „Don Quijote“ von Cervantes. Einen Höhepunkt der Übersetzungskunst bildet die von August Wilhelm Schlegel begonnene Überset zung von Shakespeares Dramen. In der Romantik er wacht auch das Interesse für die Dichtung des Ori ents. Erste Übersetzungen des persischen Dichters Hafis inspirierten Goethes Gedichtzyklus „West-östli cher Divan“ (1819). Die spätere Romantik: Romantik, wie wir sie sehen Was wir unter Romantik verstehen, wird von der späteren Romantik bestimmt Das herkömmliche Bild der Romantik heute wird kaum von den Dichtern und Dichterinnen der früheren Ro mantik bestimmt, sondern viel eher von der späteren Romantik, der „Heidelberger Romantik“. Beliebt sind die „romantischen“ Märchen, Volkslieder und die wie Volkslieder singbaren Gedichte. Die „heile Welt“ von Mittelalter und Volksdichtung In vielen Kulturen gibt es den Gedanken, dass die je weils aktuelle Epoche vom Verlust der Einheit zwi schen Mensch, Gesellschaft und Natur geprägt ist. Die sem Verlust sei eine Zeit der Harmonie vorausgegan gen. Dieses Denken findet sich auch bei den späten Romantikern. Sie sehen im – idealisierten – deutschen Hoch- und Spätmittelalter diese verlorene „goldene Zeit“. Dass der Minnesang, die höfische Epik, das Nibe lungenlied für uns zum anerkannten Literaturkanon gehören, geht auf die Arbeit der Spätromantiker zu rück. Eine ganze Wissenschaft, die Germanistik, ver dankt ihnen die Entstehung. Deutsche Sprache und Literatur wurden vor allem in den Arbeiten von Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) zum Gegenstand von Studium und wissenschaftlicher Forschung. Freilich liegt eine Wurzel der Begeisterung für die Germanistik auch im Politischen. Sie sollte dem politisch zerrissenen Deutschland eine zumindest geistige Einheit geben. In der Volksdichtung glaubte man die unverfälschte „Volksseele“ zu finden. Wichtige Resultate dieser Anschauung sind die romantischen Märchen- und Volksliedsammlungen. Als Volkslied sammlung ragt „Des Knaben Wunderhorn“ (1805–08) von Achim von Arnim (1781–1831) und Clemens Brenta- no (1778–1842) hervor, der selbst in manchen seiner Gedichte, wie „Was reif in diesen Zeilen steht“ , einer der Wegbereiter der modernen Lyrik ist (2) . Die „Kin- der- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm (3) bilden die überragende Märchensammlung der Epoche. Die Unterschiede zu den „Jenaern“: patriotisches Engagement, nostalgisches Naturgefühl Bei den späteren Romantikern ist jedoch die Überzeu gung der frühen Romantik weitgehend geschwunden, dass durch die Dichtung eine Überwindung der Krise der Gesellschaft erreicht werden könnte. Charakteris tisch für Leben und Werk der jüngeren Romantiker wird die Angst vor der Gefährdung des Individuums durch politische Einflüsse und gesellschaftliche Ver änderungen. Viele Dichter suchen ihre Identität, in dem sie sich an übergeordnete Ideen binden, wie den nationalen Kampf gegen Napoleon. Eine weitere Zu flucht besteht für sie in einer engen Verbindung mit der Natur und der Sehnsucht nach dem vergangenen glücklichen Leben in ihr. Eichendorffs Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“, Gedichte wie „Sehn- sucht“ oder seine Autobiographie „Erlebtes“ zeigen diese Motive besonders klar (4) . Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv
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