Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

169 Das Fundament Gesellschaftliche Umbrüche, politische Wirren Was heißt „romantisch“? Vom „Romantischen“ spricht man schon lange Zeit vor dem Beginn der in diesem Abschnitt vorgestellten Epo­ che. Das Adjektiv „romantisch“ bezeichnete Inhalte, die man in „Romanen“ fand. Diese „Romane“ enthielten abenteuerliche Liebesgeschichten, ritterliche Kämpfe, exotische Abenteuer, legendenhafte, mit Wundern aus­ geschmückte Stoffe. Es ist nicht verwunderlich, dass deshalb der Begriff „romantisch“ ursprünglich „fantas­ tisch“, „erfunden“, „unwahr“ bedeutete. Wieso heißt der Roman „Roman“? Geschrieben wurden diese „Romane“ vor allem in Itali­ en, Frankreich, Spanien, und zwar in den Volksspra­ chen, die sich aus dem Latein entwickelt hatten, eben den romanischen Sprachen. Was in diesen Sprachen geschrieben wurde, bezeichnete man, zunächst ab­ wertend, als „Roman“. „Romantisch“ wird positiv gebraucht Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts setzten sich die Dichtungen in der Volkssprache und die Romane in der Publikumsgunst durch. Das Wunderbare, Fantasie­ volle wurde nicht mehr wie teils in der Aufklärung aus der Literatur verbannt. Gleichzeitig wurde die natio­ nale Dichtung mehr geschätzt. So verlor sich der nega­ tive Unterton des Begriffs „romantisch“. Nicht nur im Inhalt, auch der Form nach unterschieden sich die Ro­ mane von klassischen Werken: kein Vers, keine strenge Form, wenig Respektierung von Regeln. Parallel dazu konnten deshalb auch die „ungeregelte“ Landschaft, unberührte Natur, Felsen, Ruinen, Wasserfälle, Parks im nicht geometrischen „englischen“ Stil als roman­ tisch bezeichnet werden. Die Romantiker: Leben in politischen Wirren Die Autoren der Romantik sind alle knapp hintereinan­ der in den Sechziger- und Siebzigerjahren des 18. Jahr­ hunderts geboren: August Wilhelm Schlegel (1767– 1845), Friedrich Schlegel (1772–1829), Novalis (1772– 1801), Ludwig Tieck (1773–1853), Wilhelm Heinrich Wa­ ckenroder (1773–98), E. T. A. Hoffmann (1776–1822). Für sie sind die Französische Revolution und die von ihr verursachten politischen Veränderungen Realität. Sie und auch etwas später geborene Dichter wie Joseph Eichendorff (1788–1857) erleben tiefe politische Er­ schütterungen: das Ende des Heiligen Römischen Rei­ ches Deutscher Nation 1806, die Teilnahme deutscher Staaten am Krieg Napoleons gegen Österreich und Preußen, die Besetzung von Teilen Deutschlands durch französische Heere, Napoleons Einzug in Wien. Politi­ sche und gesellschaftliche Krisen werden für die Ro­ mantiker zu einer tiefen Erfahrung. Leben in gesellschaftlichen Umbrüchen Zugleich sind die Romantiker die ersten Dichter, wel­ che die Verstädterung und die beginnende Industriali­ sierung erleben. Die Romantiker spüren erstmals die Anonymisierung in der Gesellschaft und die Verände­ rungen und Verluste in der Natur. 1795  Die „Geschichte des Herrn William Lovell“ von Ludwig Tieck gilt als erster romantischer Roman; der Held ist eine typisch romantische Figur: lebhafte Fantasie, Gefühlsbetontheit, Zerrissenheit. 1830  In den Jahren um die Julirevolution von 1830 in Paris werden für die Literatur einerseits radikalere politische und realistische Strömungen, andererseits der biedermeierliche Rückzug ins Private charakteris- tisch. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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