Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
146 „Weimarer Klassik“ (1786/1794–1805)/„Geist der Goethezeit“ (bis 1832) errichtete dort im August 1945 ein Gefängnis, in dem Deutsche interniert wurden, insbesondere solche, die der NSDAP angehört hatten, aber auch ehemalige In sassen der NS-Konzentrationslager, die sich gegen den Kommunismus auflehnten. Mehrere tausend Menschen starben dort bis zur Auflösung des Lagers 1950. Die Humanitätsideale der Weimarer Klassik waren in Wei mar nicht nur missachtet, sondern missbraucht worden. Missbrauch total Das „Dritte Reich“ inszenierte seine Klassikerverein nahmung vor allem in Weimar, dem neben Bayreuth von den Nationalsozialisten am häufigsten miss brauchten Ort für kulturelle „Events“. Ein besonders krasses Beispiel propagandistischen Missbrauchs ist die Rede des „Reichsjugendführers“ Baldur von Schirach mit dem Titel „Goethe an uns“ zur Eröffnung der „Weimar-Festspiele der deutschen Jugend“ 1937. Sie gipfelte in der Aufforderung, Hitler bedingungslos zu folgen: „Du [= die deutsche Jugend] handelst im Sin- ne des Mannes, dem du dienst, wenn du den Inhalt al- les dessen, was der Begriff Weimar und Goethe um- schließt, in dich aufnimmst und in deinem treuen und tapferen Herzen einschließt, damit du immer weißt, worum es geht, wenn du für Deutschland kämpfen musst.“ Der Abstand zum weltbürgerlichen Humani tätsideal der Klassik war riesig. Und Goethe heute? Was könnte die Klassik, insbesondere Goethe, heute für uns bedeuten? Der Literaturwissenschafter Lothar Ehrlich fasst die mögliche Bedeutung Goethes so zu sammen: „[S]eine dezidiert kritische Beurteilung von Geschichte und Politik, sein ambivalentes 1 Verhältnis zum ökonomischen und technischen Fortschritt, seine tiefe Skepsis gegenüber einer durch politischen Aktivis- mus veränderten und beschleunigten modernen Ent- wicklung, […] seine Abneigung gegenüber geschlosse- nen weltanschaulichen Konzepten oder gar Ideologien, […] [sein Hinweis] auf ethische Grundwerte wie Freiheit, Liberalität, Pluralität, Humanität.“ Geben Sie die hier angeführte mögliche Bedeutung Goethes in eigenen Worten wieder. 4 „Die Kunst, stets fröhlich zu sein“ Jean Paul: „Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal“ (1793) Der Humorist der Epoche Seine Romane und Erzählungen tragen so komplizier te Titel wie „Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs“. So komplex wie die Titel sind auch Stil und Inhalt seiner Romane: Viele verschiedene Handlungs stränge, gelehrte Anspielungen, Exkurse, Ironie, Vor-, Nach- und Zwischenreden kennzeichnen Jean Pauls Epik. Aufgrund dieser Eigenart wird Jean Paul heute wenig gelesen. Im Gegensatz zu Hölderlin oder Kleist war er zu seiner Zeit allerdings sehr erfolgreich. Weder Idealismus noch Flucht in die Idylle Im Idealismus Schillers und Goethes sieht Jean Paul die Gefahr, den Kontakt zur Realität zu verlieren. Nach anfänglicher Begeisterung für die beiden wird Jean 1 ambivalent: zwiespältig Aufgabe Die Opfer verhöhnende Inschrift am Eingangstor des ehemaligen KZ Buchenwald, Foto, 2011 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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