Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

144 „Weimarer Klassik“ (1786/1794–1805)/„Geist der Goethezeit“ (bis 1832) 3 Freiheit – fast ohne Blutvergießen Friedrich Schiller: „Wilhelm Tell“ (1804) Von Spanien über Deutschland, England, Frankreich in die Schweiz: Schillers historische Dramen Seit 1788 ist Schiller Professor für Geschichte in Jena. Diese Beschäftigung wirkt sich auch auf sein literari­ sches Werk aus. Mit einer Ausnahme – der „Braut von Messina“ (1803) – nimmt Schiller seit diesem Zeitpunkt historische Stoffe als Grundlage seiner Dramen. „Don Carlos“ ist das erste dieser historischen Stücke. Träger der Ideen Schillers in diesem Werk ist nicht Don Car­ los, sondern dessen Freund, der Marquis von Posa, der sich dem absolut regierenden spanischen König Phi­ lipp II. in den Weg stellt, dessen Regime die tödliche „Ruhe eines Kirchhofs“ verbreitet. „Geben Sie Gedan- kenfreiheit!“ , fordert Posa den König auf. Chance auf die Verwirklichung seiner Forderung hat er nicht, Posa wird getötet, Carlos vom König, seinem Vater, der In­ quisition übergeben. Mehr als zehn Jahre liegen zwi­ schen „Don Carlos“ und Schillers nächstem Drama, „Wallenstein“ (1798–99). Sie sind erfüllt mit histori­ schen Arbeiten, wie zum Beispiel der „Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs“. Auf „Wallenstein“ folgen „Ma­ ria Stuart“ (1801), „Die Jungfrau von Orleans“ (1801) und „Wilhelm Tell“ (1804). Ein erfolgreiches Drama Am 17. März 1804 wurde der „Tell“, Schillers letztes voll­ endetes Drama, im Hoftheater von Weimar unter der Leitung Goethes aufgeführt. Die Begeisterung war rie­ sig, die Aufführung mündete, wie Schiller schrieb, „in den größten Succes, wie noch keins meiner Stücke“ . Wilhelm Tells Optimismus Zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist die Schweiz noch Teil des Deutschen Reiches. Ein Fischerknabe singt, ein Hirtenknabe singt, heller Sonnenschein auf grünen Wiesen, Herdenglocken. Schiller führt das Publikum in eine perfekte Idylle ein. Doch plötzlich kommen ein Gewitter und eine Nachricht von Mord und Vergewalti­ gungsversuch. In die Idylle der Bauern, in der die „ur- alt fromme Sitte der Väter“ gilt, ist die Politik eingebro­ chen. Die Vögte der Habsburger unterjochen das Land, vergewaltigen, plündern, demütigen. Vertreter der drei Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden beraten auf dem Rütli ihr Vorgehen gegen die Tyrannei. „Sind alle sanften Mittel auch versucht“ und haben nicht ge­ holfen, so tritt, wenn die Menschenrechte missachtet werden, als letztes Mittel das Naturrecht auf Wider­ stand in Kraft. Der Schwur der Schweizer lautet: Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht, Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, Wenn unerträglich wird die Last – greift er Hinauf getrosten Mutes in den Himmel Und holt herunter seine ewgen Rechte, Die droben hangen unveräußerlich Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst – Der alte Urstand der Natur kehrt wieder, Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht – Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben – Der Güter höchstes dürfen wir verteidgen Gegen Gewalt – Wir stehn vor unser Land, Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder! Doch Tell – übrigens eine sagenhafte, historisch nicht belegte Figur –, den man für die Sache des Wider­ stands gewinnen will, winkt ab. Er hofft, dass sich die Tyrannei bald selbst auflösen wird: „Die schnellen Herr- scher sinds, die kurz regieren.“ Sein Rat: „Ein jeder lebe still bei sich daheim / Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.“ Tell wird erst zum Widerständler, nachdem Gessler, der schlimmste Landvogt von al­ Szenenbild aus „Wilhelm Tell“, Burgtheater Wien, 1990 2 4 6 8 10 12 14 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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