Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
142 „Weimarer Klassik“ (1786/1794–1805)/„Geist der Goethezeit“ (bis 1832) 2 Der gerührte und umerzogene Tyrann Friedrich Schiller: „Die Bürgschaft“ (1798) Die „Balladenjahre“ 1797 und 1798 widmen sich Goethe und Schiller inten siv einer Gattung, die bislang wenig literarisches An sehen genoss, den Balladen. Sie dienen bei Goethe und Schiller meist zur Propagierung des klassischen Humanitätsideals, deshalb werden sie auch als „Ide enballaden“ bezeichnet. Gerade dem exzellenten Dra matiker Schiller kommt dieses Genre, das viele drama tische Elemente enthält, entgegen. Das Motiv des Freundschaftsbeweises Schiller nimmt in der Ballade „Die Bürgschaft“ das in der Antike beliebte Motiv des Freundschaftsbeweises auf und verbindet es mit dem Motiv des Tyrannen mords. Uneigennützige Freundschaft und deren Be währung galt in der Klassik als eine der höchsten Tu genden. Die historische Grundlage der Ballade liefert Dionysos von Syrakus, der 404 v. Chr. als Alleinherr scher (= Tyrann) die Macht über das griechische Sizili en an sich gerissen hatte. Nur drei Tage braucht Schil ler, um die Ballade zu schreiben. Hier der Beginn: Die Bürgschaft Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande; Ihn schlugen die Häscher in Bande. „Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!“ Entgegnet ihm finster der Wüterich. „Die Stadt vom Tyrannen befreien!“ „Das sollst du am Kreuze bereuen.“ „Ich bin“, spricht jener, „zu sterben bereit Und bitte nicht um mein Leben, Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit 1 , Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn ich, erwürgen.“ Da lächelt der König mit arger List Und spricht nach kurzem Bedenken: „Drei Tage will ich dir schenken. Doch wisse! Wenn sie verstrichen, die Frist, Eh du zurück mir gegeben bist, So muss er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen.“ ■■ Geben Sie das Geschehen der ersten drei Strophen in kurzen Hauptsätzen wieder. Sie erleben so die dichte Gestaltung der Ballade, die eine Literaturwissenschafterin zur Frage veranlasste: „Ist je in einer einzigen Balladenstrophe so viel passiert wie in den ersten sieben Zeilen der Bürgschaft?“ Ein Gestaltungsbeispiel: 1. Damon will Dionysos töten. 2. Damon wird gefangen. 3. … ■■ Lesen Sie die ersten drei Strophen nochmals, am besten laut. Erläutern Sie, mit welchen stilistischen Mitteln (Satzbau beachten!) Schiller eine spürbare Beschleunigung und Verdichtung des Geschehens erreicht. Die Ballade Das Wort kommt vom lateinischen „ballare“ – „tanzen“ – und bezeichnet ursprünglich ein Tanzlied. Ab dem 18. Jahrhundert steht der Begriff für ein meist strophisch gegliedertes Gedicht, das ein ungewöhnliches Geschehen aus Geschichte, Mythos oder Alltag darstellt. Oft handelt es sich um Zusammenstöße zweier „Parteien“ in Rede und Gegenrede. Für Goethe ist die Ballade das „Ur-Ei“ der Poesie, welche die drei Grundarten der Literatur – Epos, Lyrik, Drama – in sich vereinigt. 2 4 6 8 10 12 14 1 freien: Hochzeit vorbereiten. Die Vorbereitung der Hochzeit der Schwester war in der Antike eine wichtige Aufgabe; die Ehe gab den Frauen soziale Sicherheit. 16 18 20 Aufgabe Info Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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