Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

135 Das Fundament Die Entwicklung des Begriffs „klassisch“ Von der politisch-militärischen zur literarisch-künst- lerischen Bedeutung Die ursprüngliche Verwendung des Wortes „Klassik“ war auf politisch-militärisches Gebiet beschränkt. Ein „classicus“ war im antiken Rom jemand, der zur ersten (Steuer-)Klasse der Bürger gehörte und deshalb auch besondere politische und militärische Beiträge, etwa zur Finanzierung von Heer und Flotte leistete. Im Sin­ ne von „Erstklassigkeit“ wurde der Begriff dann auch für andere Bereiche übernommen. Der Politiker, Red­ ner und Autor Cicero (106–43) übertrug den Begriff auf Autoren, die er schätzte und als „scriptores classici“ bezeichnete. Das Wort erscheint erst wieder im Huma­ nismus. Als „klassisch“ werden dort vorbildliche künst­ lerische Werke bezeichnet. Für den Humanismus sind das die Werke der Antike. Diese Verbindung von vor­ bildhaft und antik ist bis ins 18. Jahrhundert gültig: Klassisch ist antik. Der Begriff „klassisch“ wird zeitlos Die Literaturwissenschaft bezeichnet die Begriffe „Klassik“ und „klassisch“ als „Rezeptionsbegriffe“. In der literarischen Wertung, der Rezeption, werden be­ stimmte Werke, Autoren oder Epochen als „erstrangig“, „mustergültig“, eben als „klassisch“ eingestuft. Mit dem Aufkommen nationaler Literaturströmungen im 18. und 19. Jahrhundert löst sich die Verbindung von Klassik und Antike. Auch die großen Leistungen ande­ rer Kulturen werden im Rückblick als „klassisch“ be­ zeichnet; so in Italien die Dichtung von Dante und Tas­ so im 13. und 14. Jahrhundert, das „Goldene Zeitalter“ der spanischen Literatur mit Cervantes und Calderón (16., 17. Jahrhundert), die Elisabethanische Zeit in Eng­ land mit Shakespeare (16. Jahrhundert) oder das „Âge Classique“ der französischen Literatur mit Corneille, Racine, Molière, La Fontaine im 17. Jahrhundert. Neben der „Weimarer Klassik“ spricht die Wissenschaft auch von der „Staufischen Klassik“, der Blütezeit der mittel­ hochdeutschen Literatur von 1180 bis 1220. Die Weimarer Klassik und die Literaturgeschichte Goethe und Schiller haben sich selbst nicht als Klassi­ ker bezeichnet und die Begriffe „klassisch“ und „Klas­ sik“ in ihren Schriften überdies selten gebraucht. An einer der wenigen Stellen, wo Goethe den Begriff ver­ wendet, dient er ihm als Abgrenzung zur romanti­ schen Literatur. Aber auch da gebraucht Goethe den Begriff nicht für sich, sondern definiert ihn als über­ zeitlich: „Das Klassische bezeichne ich das Gesunde und das Romantische das Kranke. Und da sind die Ni- belungen klassisch wie der Homer […].“ Für Goethe und Schiller, im öffentlichen Bewusstsein die „Klassi­ ker“ schlechthin, wurde der Begriff erst nach Goethes Tod verwendet. Ihre Werke wurden als Höhepunkte der deutschen Kultur verstanden. Goethe und Schiller wurden in den Literaturgeschichten des 19. Jahrhun­ derts zu Leitbildern einer nationalen deutschen Identi­ tät gemacht und auch dazu „benutzt“, als Wegweiser zur politischen Einheit Deutschlands zu dienen. 1786  Goethes erste Italienreise. 1794  Beginn der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller. 1805  Tod Schillers. 1832  Tod Goethes. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des Verlags öbv

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