Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

132 Das 2. Faust-Fenster: Faust, das revoltierende und enttäuschte Sturm-und-Drang-Kraftgenie Friedrich Maximilian Klinger: „Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt“ (1791) Faust erfindet den Buchdruck und findet den Kontakt zur Hölle Auch der Faust aus Klingers Roman „Fausts Leben, Ta­ ten und Höllenfahrt“ hat sich eingehend mit Philoso­ phie und Theologie befasst, doch letzten Sinn hat er darin nicht gefunden. Deshalb sucht er Zuflucht in der Magie. Auf magische Weise erfindet er die Buchdru­ ckerkunst. Gleichzeitig entdeckt er die Möglichkeit, den Teufel zu beschwören. Fausts Leiden an der Ungerechtigkeit der Welt Für die Entwicklung des Buchdrucks setzt Faust sein ganzes Vermögen ein. Er glaubt, damit Bildung, Wissen, Vernunft fördern zu können und den Menschen Glück zu bringen. Doch die Menschen reagieren mit Gleich­ gültigkeit. Nicht einmal seine Familie kann Faust mit dieser Erfindung ernähren, diese Ungerechtigkeit der Welt bedrückt ihn: Von dieser stolzen Hoffnung so tief herabgesunken, gedrückt von einer schweren Schuldenlast, die er sich durch leichtsinnige Lebensart, übertriebene Freigebig- keit, unvorsichtige Bürgschaften und Unterstützung falscher Freunde auf den Hals gezogen, warf er einen Blick auf die Menschen, sein Groll färbte ihn schwarz, sein häusliches Band, da er seine Familie nicht mehr zu erhalten wusste, ward ihm zur Last […]. Er nagte an dem Gedanken, wie und woher es käme, dass der fähige Kopf und der edle Mann überall unterdrückt, vernachlässigt sei, im Elende schmachte, während der Schelm und der Dummkopf reich, glücklich und angesehen wären. […] Faust sucht Satan Fausts Beschwörungsrufe dringen hinab in die Hölle. Satan schickt Faust den Höllenfürsten Leviathan, „den geschmeidigsten Verführer, den grimmigsten Hasser des Menschengeschlechts“ . Leviathan begleitet Faust auf einer Reise um die Welt. Faust findet die Men­ schen voll Bosheit, Geldgier, Neid und Machtgier. Durch die Verführungen Leviathans moralisch verdor­ ben und sich selbst zum Ekel geworden, hofft Faust, durch die Rückkehr in die bürgerliche Ordnung und zu seiner Familie Ruhe und Frieden wiederzufinden. Doch Fausts Frau und die jüngeren Kinder sind zu Bettlern geworden, die Tochter zur Prostituierten. In wildem Aufbäumen gegen Gott, der sich für ihn nur „in Zerstörung“ zeigt, überlässt sich Faust dem Teufel, der ihn, „wie der mutwillige Knabe eine Fliege, zerreißt, […] den Rumpf und die blutenden Glieder mit Ekel und Un- willen auf das Feld streut […] und mit seiner Seele zur Hölle fährt“ . Johann Wolfgang von Goethe: „Urfaust“ (1769–1775) Der Beginn von 60 Jahren Beschäftigung mit Faust Goethe kannte den Faust-Stoff schon als Puppenspiel. 1770 gastierte eine Theatertruppe mit einer Überset­ zung des Marlowe’schen Faust in Straßburg. 1770–75 entsteht in Straßburg und Frankfurt der „Urfaust“. Der „Urfaust“ enthält bereits wesentliche Teile der endgül­ tigen Faust-Tragödie, die Goethe 1808 veröffentlicht: Fausts Monolog, in dem er seine Enttäuschung über 2 4 6 8 10 12 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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