Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
119 Sturm und Drang (1770–1785/90) Bürgers Anklage und die Realität Immer wieder machten auch die Bauern im Herzog tum Sachsen-Weimar den Herzog auf Jagdschäden und die Auswirkungen des unkontrollierten Wildbe stands aufmerksam, wie zum Beispiel im folgenden Brief, in Originalschreibung der Quelle: Was vomWilde nicht abgefressen wird, wird zertreten, sogar die Cartoffeln, welche wir zu unsern Lebens- unterhalt bauen, werden von demWilde ausgewühlt, gefressen, und wir haben nach so vieler aufgewendeten sauern Mühe und Arbeit statt der Erndte, leere Felder. […] Wir haben zwar unsere Früchte durch nächtliches Wachen gegen die Verwüstungen des Wilds zu erhalten versucht, allein wenn unsere Kräffte den Tag über durch Frohnen, und was uns nach deren Ableis- tung etwa an Zeit noch übrig bleibet, durch Bearbei- tung unserer eigenen Grundstücke und Besorgung unserer Wirtschafften, gantz erschöpft worden, so müssen wir dem Schlaf, der einzigen Erholung für den unter harter Arbeit fast erliegenden Landmann, unterliegen, und dann ist alles verlohren. Da wir uns solchergestalt in der traurigsten Lage befinden, nicht wissen, woher wir zu unsern und der Unsrigen nothdürfftigen Unterhalt in unserer ohnehin nicht sehr ergiebigen Gegend das Brod hernehmen […] sollen, so bleibt uns nichts übrig, als Euer Herzoglichen Durch- laucht unser banges Anliegen wiederholt demütigst vorzutragen, und in dem festen Vertrauen auf Hoechst Dero Landesväterliche Huld und preiswürdigste Sorgfalt, mit welcher Hoechst-Dieselben das Glück und den Wohlstand Hoechst Ihro getreuesten Untert- hanen mildest beherzigen[,] um gnaedigste Abstellung unserer nur mehr als zu begründeten Beschwerden devotest zu bitten. […] ■■ Erläutern Sie, welche sozialen Probleme der Bauern in diesem Schreiben zur Sprache kommen. ■■ Beschreiben Sie, an welchen Stellen sich der Abstand zwischen Fürsten und Bauern sprachlich zeigt. 4 Der unerschrockene, unabhängige, unbestechliche „Kerl“ Johann Wolfgang von Goethe: „Götz von Berlichingen“ (1771) Götz, der „Selbsthelfer“ Die Gestalt des Götz als eines „rohen, wohlmeinenden Selbsthelfers in wilder […] Zeit“ habe ihn schon in der Jugend fasziniert, schreibt Goethe in „Dichtung und Wahrheit“. Und tatsächlich, wohlmeinend ist Goethes Götz, aber auch roh. Er überfällt Kaufleute, er bricht den Schwur, nicht wieder zu den Waffen zu greifen. Goethe rechtfertigt dies zwar mit Götz’ aussichtsloser Lage, doch im Grunde spielt der Eidbruch keine wichtige Rol le. Was zählt, ist die freie Selbstbestimmung des Ge nies, seine Individualität, das Pochen auf „Naturrecht“ und sein „Selbsthelfertum“. Der literarische Götz wird von Goethe zur Kultfigur nach dem Geschmack der Stürmer und Dränger gemacht. Götz ist streitbar, volks nah, aktionsbereit, nicht fehlerfrei. Goethe war gegen über übermächtigen Figuren stets skeptisch. Neben dem „Götz“ hatte Goethe zu dieser Zeit noch Pläne für Cäsar-, Sokrates- und Mohammed-Dramen. Doch diese Stücke kamen über den Projektstatus nicht hinaus. Lesen Sie aus dem 1. Akt einen Auszug aus der Szene „Herberge im Wald“. Goethe konfrontiert mit Götz und dem Klosterbruder Martin zwei unterschiedliche Charaktere. Beschreiben Sie diese Charaktere. ■■ Bestimmen Sie in Bürgers Text das dominie rende Stilmittel und die Satzarten der Strophen. Erörtern Sie, welcher inhaltliche Unterschied sich ergeben würde, wenn der letzte Vers auch als Fragesatz gestaltet wäre. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Aufgabe Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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