Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

115 Sturm und Drang (1770–1785/90) Gericht“ behandelt als eine der ersten die wegen einer unehelichen Schwangerschaft bloßgestellte Frau (2) . Das politische Gedicht Das Lob der Herrscher in Gedichten war eine bei den Fürsten beliebte und für Dichter als Einkommensquel­ le nicht unwichtige literarische Gepflogenheit der Ba­ rockzeit. Ganz anders der Sturm und Drang. Die Ge­ dichte von Gottfried August Bürger (1747–94), wie „Der Bauer an seinen durchlauchtigsten Tyrannen“ verwan­ deln das Fürstenlob in Fürstenanklage, nicht zuletzt aufgrund persönlicher Erfahrungen mit Herrscherwill­ kür. Erstmals Thema der Lyrik wird das Leiden der als Sklaven verschleppten Afrikanerinnen und Afrikaner und der unterdrückten Eingeborenen in den Kolonien. Dies zeigt das Gedicht „Der Schwarze in der Zucker- plantage “ von Matthias Claudius (1740–1815) (3) . Das Drama: Die Auflösung der drei Einheiten Mit Goethes „Götz“ beginnt ein neues Theater Goethes „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (4) , dessen Urfassung der Autor 1771 in wenigen Wo­ chen niederschrieb, wird zum maßgeblichen Beispiel für die Dramen des Sturm und Drang. Die Handlung spielt in mehr als 50 Szenen, dauert mehrere Jahre und reiht oft ohne engen Zusammenhang Schauplät­ ze und Aktionen aneinander. So frei ging Goethe mit den klassischen Dramenregeln um, dass ihn sein Freund Herder mahnte: „Shakespeare hat euch ganz verdorben.“ Die Figur des Renaissanceritters Götz wird zum Typus der Dramenfiguren des Sturm und Drang. Ihn charakterisieren Freiheitsdrang, das Gefühl der Einengung durch die Konventionen der Gesellschaft, der Kampf gegen Ungerechtigkeit, der Versuch, das Gesetz in eigene Hände zu nehmen und sich den Auto­ ritäten Staat und Kirche zu widersetzen. Schillers Sturm-und-Drang-Dramen Große Theatererfolge erreicht Friedrich Schiller (1759– 1805) mit seinen Dramen „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“ (5) . Die mehr als 1.000 Zuschauer bei den „Räu­ bern“ im Mannheimer Schauspielhaus geraten wäh­ rend der Uraufführung vor Begeisterung außer sich. Die 1781 entstandenen „Räuber“ und das 1784 aufgeführte bürgerliche Trauerspiel „Kabale und Liebe“ sind gleich­ zeitig die letzten Dramen der Epoche. „Die Räuber“ the­ matisieren in emotionaler, von Kraftausdrücken und Hyperbeln strotzender Sprache die im Sturm und Drang beliebten Motive des Vater-Sohn-Konflikts und der feindlichen Brüder. Wie Goethes „Götz“ verzichtet Schil­ ler auf Zeit-, Ort- und Handlungseinheit. „Kabale und Liebe“ attackiert vehement den schrankenlosen, die Macht missbrauchenden Absolutismus und das unmo­ ralische Hofleben. Die Epik: Briefroman und Autobiographie Der Riesenerfolg des „Werther“ Trotz ihrer Vorliebe für Drama und Lyrik fühlten sich die „Stürmer und Dränger“ auch vom Roman herausgefor­ dert. Dass es für den Roman im Gegensatz zum Drama kein bindendes System von literarischen Regeln gab, kam den jungen Dichtern entgegen. So wie sein „Götz“ der Durchbruch der Epoche auf dem Gebiet des Dramas war, gelang Goethe mit dem Roman in Briefform, „Die Leiden des jungen Werthers“ (6) , der Durchbruch auf dem Gebiet der Epik. „Werther“ wurde der größte Buch­ erfolg des 18. Jahrhunderts. Die Entstehung des Brief­ romans hängt mit der zunehmenden Bedeutung des privaten Briefverkehrs zusammen. Briefe ermöglichen Individualität, Darstellung von Seelenzuständen, alles, was dem Sturm und Drang wichtig war. Der erste deutsche „Frauenroman“ 1771 erscheint der Briefroman „Geschichte des Fräu- leins von Sternheim“ von Sophie von La Roche (1730– 1807), der erste deutsche „Frauenroman“ (7) . Er ist von einer Frau verfasst, im Mittelpunkt der Handlung steht eine Frau, und er richtet sich vor allem an ein weibli­ ches Publikum: Weibliche Tugend trotzt allen Intrigen. Der moralisch verkommene Fürstenhof, dem die junge Sternheim als Mätresse dienen soll, wird dem sittsa­ men Leben auf dem Land gegenübergestellt. Das Fräulein von Sternheim ist moralisch dem Hof überle­ gen und widmet sich trotz großer Erniedrigung prakti­ scher Humanität. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=