Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
114 Sturm und Drang (1770–1785/90) gegen die politischen Verhältnisse. Rousseaus Defini tion, dass der Staat auf einem „Gesellschaftsvertrag“ zwischen Herrscher und Volk beruhe und dieser Ver trag kündbar sei, war schon von den Aufklärern propa giert worden. Im Sturm und Drang verstärkt sich die Kritik an der Fürstenwillkür. Eine gerechtere politische und soziale Ordnung wird gefordert. Für die Autoren wird diese Kritik zu einem sehr persönlichen Anliegen. Sie kennen, mit Ausnahme Goethes, Benachteiligung aus eigener Erfahrung, denn sie stammen durchwegs aus dem politisch und sozial schwachen Kleinbürger tum. Zudem wollen sie ihre Literatur nicht in erster Li nie für den Adel und vermögende Bürgerliche schrei ben, sondern für das Volk. Doch Lesebereitschaft und Lesefähigkeit können nur entstehen, wenn elementare Bildung und soziale Grundsicherung gegeben sind und die Wahl der Lektüre frei von Zensur ist. Beschreiben Sie die Kritikpunkte, Forderungen und Ziele der Autoren des „Sturm und Drang“. Die Literaturübersicht Die Zeit der „Originalgenies“ Sturm und Drang beginnt in Straßburg 1770/71 bildet sich um den 26-jährigen Herder und den 21-jährigen Goethe (1749–1832) im elsässischen Straß burg ein Kreis von jungen Autoren. Sie sind durchwegs Studenten an der dortigen Universität: Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–92), Heinrich Leopold Wagner (1747–79), Johann Heinrich Jung, genannt „Stilling“ (1740–1817). Man ist sich einig in der Ablehnung absolu tistischer Herrschaft, spricht über die nationale Identi tät von Deutschen und Franzosen und stellt fest, dass die Deutschen im Gegensatz zu den Franzosen eine sol che Identität erst schaffen müssten. Dabei sollen Spra che und Literatur eine wesentliche Rolle spielen. Das erfordert eine neue Definition des Dichters. Neben Ho mer ist für sie der schon von Lessing gelobte Shakespe are die Verkörperung des dichterischen Genies. Sein Theater reiße die Zuschauer aus dem Gewöhnlichen heraus, mache sie zu anderen Menschen. Shakespeare ist für die jungen Autoren, wie Herder formuliert, „ein Sterblicher mit Götterkraft begabt“ . Symbolfigur Prometheus Das „Originalgenie“ oder „Kraftgenie“, das die Autoren werden wollen, schafft sich seine Regeln selbst. Prometheus, der nach griechischer Überlieferung den Menschen ohne Zutun der Götter aus Lehm geschaf fen, ihm das Feuer geschenkt, gegen die Götter rebel liert hat und zur Strafe von ihnen an einem Felsen an geschmiedet wurde, wird zur Symbolgestalt. Goethe widmet ihm 1774 eine seiner Hymnen. Die Lyrik: Erlebnislyrik, Balladen und Fürstenkritik Erlebnislyrik Ausdruck von Erlebtem, von Empfindungen und Leiden schaft sind charakteristische Elemente der Lyrik des Sturm und Drang. Großes Vorbild ist Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803). Er hatte sich in seinem Epos „Der Messias“, begonnen 1748, in seinen theoretischen Schrif ten und Gedichten gegen starre Regeln gewandt und Gefühl, Begeisterung und Subjektivität gefeiert. Beispie le für die von Klopstock beeinflusste Erlebnislyrik sind die Gedichte Johann Wolfgang Goethes aus der Straß burger Zeit, insbesondere die so genannten „Sesenhei mer Lieder“, wie „Willkommen und Abschied“ (1) . Die Ballade Schaurige Stoffe, das Wirken magischer, übersinnli cher Mächte, die Bestrafung menschlichen Fehlverhal tens und Konflikte zwischen Mann und Frau sind be liebte Themen der Ballade. Goethes kurze Ballade „Vor Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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