EL-MO Elemente und Moleküle, Schulbuch

f4e9f8 KM-6: Gleichgewicht – Übertragung 4.1 Phänomenologische Betrachtungen 92 4.2 Das Massenwirkungsgesetz (MWG) 94 4.3 Die Beeinflussung der Gleichgewichtslage 96 4.4 Berechnung von Gleichgewichtskonzentrationen 98 4.5 Freie Enthalpie und Gleichgewicht 99 4.6 Die Löslichkeit von Salzen 102 4.7 Komplexe 104 Das chemische Gleichgewicht 4 91 91 Man hat für den Endzustand der Reaktion den Begriff „chemisches Gleichgewicht“ geprägt. Eine Erklärung für dieses chemische Gleichgewicht ist die Vorstellung, dass, sobald die Produktkonzentrationen groß genug sind, eine Rückreaktion einsetzt. Es bildet sich in unserem Beispiel nicht nur aus Stickstoff und Wasserstoff Ammoniak, sondern zugleich zerfällt Ammoniak wieder in Stickstoff und Wasserstoff. Sobald Hin- und Rückreaktion gleich schnell sind, ändern sich die Konzentrationen nicht mehr, der Gleichgewichtszustand ist erreicht. Im Gleichgewicht hört die Reaktion nicht auf („dynamisches Gleichgewicht“). Carl Bosch (1874–1940) Fritz Haber (1868–1934) Paul Alwin Mittasch (1869–1953) Sie waren auf dem richtigen Weg. Fritz Haber von der Karlsru- her Hochschule, Carl Bosch von der BASF und Boschs Assistent Alwin Mittasch: Sie näherten sich nun tatsächlich dem Ziel. Die Bindung des Luftstickstoffs in industriellen Maßstäben konnte gelingen. Die Gewinnung von Ammoniak in einem katalytischen Hochdruckverfahren, das den Grundstein für die gesamte tech- nische Hochdruckchemie legen würde, Mittasch hatte endlich den richtigen Katalysator gefunden. Er hatte entdeckt, dass das billige und praktische Eisen dem zuvor verwendeten Uran und Osmium gleichwertig war, die BASF meldete den Haber-Bosch- Prozess zum Patent an. Im März hielt Fritz Haber einen Vortrag im Naturwissenschaft- lichen Verein zu Karlsruhe. Er sprach generell. Er philosophierte über den Stickstoff, aus dem jede Pflanze das pflanzliche Eiweiß aufbaut, das Mensch und Tier als Nahrung dient. Er sprach über die Lufthülle der Erde, die zu über 70 % aus Stickstoff besteht. Er erwähnte den Fehler im Gefüge der Schöpfung, der es Pflan- zen unmöglich macht, den Luftstickstoff unmittelbar zu nutzen, sodass ihre Stickstoffversorgung abhängig war von Mikroorga- nismen im Boden – Knöllchenbakterien in den Wurzeln etwa von Bohnen – elektrischen Entladungen bei Gewittern und na- türlich der Düngung mit Chilesalpeter. Und schließlich deutete er an, die Brillanz menschlicher Geisteskraft könnte womöglich ein Verfahren entwickelt haben, das diesen Fehler der Natur in- soweit korrigierte, dass es zwar nicht den Pflanzen, wohl aber dem Menschen die gelenkte Nutzung des Luftstickstoffs mög- lich machte, er beließ es bei diesen Andeutungen. Auszug aus dem Roman „Immerwahr“ von Sabine Friedrich 2007 Im Jahr 1867 veröffentlichten die Norweger Cato Maximilian Guldberg und Peter Waage eine Beschreibung des Gleichge- wichtes in Form einer mathematischen Beziehung zwischen den Konzentrationen der Edukte und der Produkte im Gleich- gewicht. Die Konzentrationen nannte man damals „aktive Massen“, daher der Name „Massenwirkungsgesetz“. Später wurde das Massenwirkungsgesetz aus der Thermodynamik (Wärmelehre) exakt erklärt und mit dem im vorigen Ka- pitel besprochenen ∆ G verknüpft. Erst die Betrachtung chemischer Reaktionen als Gleichgewichtsreaktionen eröffnet uns die Möglichkeit, Säure-Base-Reaktionen, pH-Wert, Reduktion und Oxidation, die Phänomene der Elektrochemie (Batterien, Akkumulatoren, Elektrolyse) zu verstehen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts bemerkte man, dass chemische Reaktionen in vielen Fällen nicht „zu Ende“ laufen, sondern nach einiger Zeit ein Gemisch von Pro- dukten und Edukten vorliegt, welches nicht mehr weiter reagiert. Die Ammoniaksynthese, von der im Romanaus- zug die Rede ist, ist eine solche Reaktion. Wie sich durch die Wahl der Bedingungen die Reaktion beeinflussen lässt, und welche Probleme bei diesen Forschungen auftraten, und über die persönlichen Verstrickungen der beteiligten Forscher, darüber handelt der oben zitierte Roman. Das Leben von Clara Immerwahr, der Frau von Fritz Haber, die zu der damaligen Zeit als erste Frau an der Universität Breslau naturwissenschaftlich promo- viert hat, beleuchtet sowohl die naturwissenschaftli- chen als auch die gesellschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit. Cato M. Guldberg Peter Waage (1836–1902) (1833–1900) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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