EL-MO Elemente und Moleküle, Schulbuch

Reaktionsentropie 84 84 Abb. 084–1: Entropie und Unordnung Die Reaktionsentropie ∆ S R Zum Verständnis der Entropie gibt es mehrere Zugänge. Eine sehr anschauliche Interpretation ist die Angabe der Entropie als Maß für die Unordnung. Unordnung lässt sich nicht exakt definieren, doch ist leicht einsehbar, dass ein regelmäßiger Kristall geordneter ist als ein Gas oder dass die wässrige Lösung eines Salzes un- geordneter ist als das feste Salz. Das Streben nach Unordnung Das freiwillige Streben nach Unordnung ist ein physikalisches Grundgesetz. So wird sich in einem Raum nie Sauerstoff in einer Ecke und Stickstoff in der anderen Ecke ansammeln, ja selbst wenn man die Gase trennt, erfolgt nach Aufhebung der Trennwand sofort wieder Durchmischung. Auch Tabakrauch bleibt nicht beim Raucher, sondern verteilt sich gleichmäßig im Raum. Im Alltag hat man ein Gefühl entwickelt, in welche Richtung Vorgänge ablaufen können. Dies merkt man sofort, wenn ein Film verkehrt abläuft. Zeigt man nur eine einfache Bildfolge, wie zB die Verteilung von Himbeersaft im Wasser, sind die Zeitabfolge und die Richtung eindeutig durch unsere Erfahrung festgelegt. Das spontane Durchmischen erscheint wahrscheinlich, die Umkehrung unrealistisch. Fällt ein Stein aus einer gewissen Höhe zu Boden, ist dies nicht verwunderlich; potenzielle Energie wandelt sich in kinetische Energie um und diese in Wärme. Der umgekehrte Vorgang, der nach dem Energieerhaltungssatz möglich wäre, findet nicht statt. Kinetische Energie ist eine geordnete organisierte Bewegung, Wärme dagegen eine regellose, ungeordnete Bewegung der Teilchen. Es ist einfacher, geordnete Bewegung in ungeordnete überzuführen als die Umkehrung. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Teilchen des erwärmten Steines im selben Au- genblick in eine Richtung schwingen und so den Stein vom Boden abheben (Wär- me ⇒ kinetische Energie ⇒ potenzielle Energie), ist so gering, dass dieser Vor- gang nie stattfindet. Die Standardentropie S ∅ Allen Stoffen kann ein bestimmter Unordnungszustand – ein Entropiewert – zuge- ordnet werden. Die Entropie der Stoffe ist vom Stoffaufbau, vom Aggregatzustand und von der Temperatur abhängig. Die Entropie nimmt mit steigender Tempera- tur zu, weil die ungeordnete Wärmebewegung zunimmt. Am absoluten Nullpunkt wäre die Entropie eines aus gleichen Atomen bestehenden idealen Kristalls gleich null. Molare Entropiewerte stammen aus kalorimetrischen Messungen bei Standardbe- dingungen. Die Einheit der molaren Entropie S ∅ ist kJ/K· mol. Die Messwerte stim- men in vielen Bereichen mit qualitativen Überlegungen und dem Unordnungsbe- griff überein. ( S ∅ -Werte siehe Tabelle Seite 316) Berechnung der Reaktionsentropie ∆S R ∅ Analog zur Enthalpieänderung tritt bei jeder Reaktion eine Entropieänderung ∆S ∅ auf. Die Entropieänderung ist die Differenz zwischen der Summe der Entropien der Produkte und der Summe der Entropien der Edukte. Sie wird Reaktionsentropie genannt. ∆ S ∅ = ∑ S ∅ (Produkte) – ∑ S ∅ (Edukte) Beispiel Verbrennung von Ethanol: ∆ S R ∅ = [2 · S ∅ (CO 2 ) + 3 · S ∅ (H 2 O)] – [ S ∅ (C 2 H 5 OH) + 3 · S ∅ (O 2 )] ∆ S R ∅ = [2 · (0,214) + 3 · (0,070)] – [(0,161) + 3 · (0,205)] = –0,138 kJ/K Ist die Entropieänderung positiv, so steigt die molekulare Unordnung der Teilchen. Eine Entropiezunahme bei der Reaktion bedeutet das Erreichen eines wahrschein- licheren Zustandes und daher einen Antrieb für die Reaktion. Entropieabnahme führt zu einem unwahrscheinlicheren Zustand. Ebenso wie das „Streben nach dem Energieminimum“ ist das „Streben nach dem Entropiemaximum“ als Grund für das Ablaufen von Naturvorgängen zu sehen. Hohe Ordnung = kleine Entropie Geringe Ordnung = große Entropie Abb. 084–2: Verteilung von Gasteilchen Unwahrscheinlich Wahrscheinlich Berechne die Reaktionsentropie ∆ S ∅ R für die folgenden Reaktionen und interpretiere das Ergebnis: 1. Erdgasspaltung von Methan mit Wasser- dampf CH 4 + H 2 O → CO + 3 H 2 2. Bildung von Hydrogenchlorid (alt: Chlor- wasserstoff) aus den Elementen H 2 (g) + Cl 2(g) → 2 HCl (g) 3. Zersetzung von Distickstoffpentoxid 2 N 2 O 5 (s) → 4 NO 2(g) + O 2(g) Üb Übungen 84.1 bis 84.3 Nur zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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