EL-MO Elemente und Moleküle, Schulbuch

KM-8: Chemische Grundlagen des Lebens Glycogen – Problem Glucose Der Stoffwechsel bei Nahrungsmangel 299 299 Energievorräte im Organismus Bei Nahrungsmangel muss der Organismus auf seine eigenen Energievorräte zurückgreifen. Immerhin haben wir einen täglichen Energiebedarf von etwa 8000 kJ. Dazu wollen wir einmal die Größe dieser Vorräte betrachten. ATP fällt als Vorrat aus, da die ATP-Menge im Organismus nur für wenige Sekun- den reicht. Auch die anderen Zwischenprodukte (NADH . H + , AcCoA) im Ener- giestoffwechsel sind insgesamt nur in vernachlässigbarer Menge vorhanden und können nicht als Vorrat gelten. Der Blutzucker (bei 100 mg/dL und 7 L Blut) besteht insgesamt aus ca. 7 g Glu- cose. Das entspricht einem Energiegehalt von etwa 110 kJ, reicht also für knapp 20 Minuten (bei vollständigem Verbrauch, was nicht möglich ist, da beim Ab- sinken unter die Hälfte des Normalwerts bereits Probleme auftreten). Wir sind daher auf unsere Glycogenspeicher angewiesen, die nach den Mahlzeiten auf- und dazwischen wieder abgebaut werden. Der Glycogenvorrat beträgt in den Muskelzellen ca. 1 %, in der Leber ca. 10 % der Masse. Die Muskelzellen speichern also etwa 300 - 400 g Glycogen (gut trainierte Sportler bis 600 g), die Leber etwa 150 g. Das Muskelglycogen ist bei normaler Tätigkeit also ein Vorrat für etwa einen Tag, bei intensiver Belastung für 90 Minuten, dient aber nur zur Versorgung des Muskels selbst. Das Leber- glycogen dient zur Aufrechterhaltung des Blutzuckers, und auf diese Weise zur Versorgung aller Körperzellen, vor allem der auf Glucose angewiesenen Gehirn- zellen und der Erythrozyten. Es ist ebenfalls nach etwa einem Tag erschöpft. Bei längerem Nahrungsmangel muss der Organismus auf seine größten De- pots, die Fett- und Eiweißreserven zurückgreifen. Die Fettdepots sind Vorrat für zumindest mehrere Wochen. Ein reiner Fettstoffwechsel ist sehr langsam, ermöglicht also nicht höhere körperliche Leistungen und kann vor allem das Gehirn nicht versorgen, da die Blut-Hirn-Schranke eine Sperre für lipophile Substanzen darstellt. Eine Verstoffwechslung von Körpereiweiß als Haupt- quelle der Energiegewinnung schädigt rasch lebenswichtige Organe und tritt nur bei langfristigem Nahrungsmangel auf (Autokannibalismus, Verhungern). Problem Glucose Unser Gehirn verbraucht täglich etwa 120 g Glucose, zusammen mit den Erythrozyten beträgt der tägliche Glucosebedarf etwa 160 g unabhängig von körperlicher Tätigkeit. Mehr ist aus dem Glycogenspeicher der Leber nicht zu gewinnen. Es muss daher einen Weg geben, Glucose im Stoffwechsel zu synthe- tisieren, sonst würden wir bereits nach einem Tag Nahrungsmangel an Glucose- mangel sterben. Dieser Weg heißt Gluconeogenese (= Glucoseneubildung) und findet vor allem in der Leber statt. Die Leber kann pro Tag bis zu 200 g Glucose neu herstellen, also den Bedarf der strikt glucoseabhängigen Zellen decken. Die Gluconeogenese verbraucht ziemlich viel Energie. Diese kann aus den Fettreserven zur Verfügung gestellt werden (Weg wie schon besprochen: Fettstoffwechsel bis zur ATP-Synthese). Ein großes Problem tritt allerdings auf: Der Fettsäureabbau liefert AcCoA, eine C 2 -Verbindung, die Gluconeogenese geht aber von Pyruvat aus, einer C 3 -Verbindung. Unser Organismus besitzt kein Enzym, das AcCoA zu Pyruvat carboxylieren kann. Dies bedeutet, dass Fett al- leine als Ausgangsstoff für die Glucosesynthese nicht ausreicht. Nur der Glyce- rolanteil des Fettes ist ein möglicher Ausgangsstoff, da er als Glyceral-3-Phos- phat in die Gluconeogenese „einsteigen“ kann. Der Glycerolanteil ist allerdings bei weitem zu gering. Zur Pyruvatgewinnung muss daher auf andere Quellen zurückgegriffen wer- den. Dies sind vor allem die Milchsäure aus der anaeroben Glycolyse, deren Abbau nach anstrengender Tätigkeit in der Leber hauptsächlich zur Gluco- neogenese verwendet wird (siehe S. 290), und Aminosäuren, die zu C 3 -Verbin- dungen abgebaut werden, hauptsächlich Alanin. Nahrungsmangel bedeutet daher auch Eiweißabbau. Abb. 299–1: Die Versorgung des Organismus mit Glucose Spezielle Endothelzellen verhindern den Durchtritt von unpolaren Fett(säure)mo- lekülen aus der Blutbahn ins Zentralner- vensystem. Die polare Glucose kann dieses Hindernis passieren und damit dem Gehirn „Energie“ zuführen. zur „Blut-Hirn-Schranke“ Muskel Leber Fettreserven Eiweißreserven O O O O O O O O O Glycogen O O O O O O O O Glycogen O Energie- versorgung des Muskels Gluconeogenese O O O O O Pyruvat Glycerol Alanin Fett- säuren O Triglyceride Aminosäuren Gehirn O O Blut-Hirn-Schanke Blutbahn Lactat Lactat O ! Exkurs Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des Verlags öbv

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