EL-MO II Moleküle, Schulbuch

95 6.2 SPeKtrOsKOPIsche MethODen Chemische Verschiebung in ppm 1 H-NMR-Spektrum (60 MHz) 7 6 5 4 3 2 1 0 TMS Chemische Verschiebung in ppm 1 H-NMR-Spektrum (60 MHz) 7 6 5 4 3 2 1 0 8 9 10 11 12 TMS Chemische Verschiebung in ppm 1 H-NMR-Spektrum (60 MHz) 7 6 5 4 3 2 1 0 8 9 10 11 12 H C H H C H H C O H O H C H H C O C O H H H Abb. 95.1: NMR-Spektrum des Ethanols aufgelöst Abb. 95.2: NMR-Spektren zweier isomerer Verbindungen Ethansäure-methyl-ester Propansäure der OH-Gruppe steht, und die am stärksten abgeschirmten in der CH 3 -Gruppe. Je stärker die Abschirmung, desto weiter rechts im Spektrum befindet sich der zuge- hörige Peak. Die Peakflächen sind der Anzahl der jeweiligen H-Atome proportional. Sie werden durch eine Integrationskurve dargestellt. In unserem Fall beträgt das Verhältnis 1:2:3. Die chemische Verschiebung ist der Stärke des angelegten Magnetfeldes proporti- onal. Sie wird in Bruchteilen der Stärke des angelegten Magnetfeldes angegeben. Der Abschirmungseffekt durch die Elektronenhülle ist nicht sehr stark. Die verwen- dete Einheit ist ppm (parts per million). Bei stark abgeschirmten Kernen ist das wirksame Magnetfeld also nur einige Millionstel schwächer als bei „freien“ Protonen. Da verschiedene Geräte mit verschiedenen Absorptionsfrequenzen (60–100 MHz) arbeiten, muss ein Nullpunkt definiert werden. Dazu wurde die Substanz Tetrame- thylsilan (TMS) ausgewählt. Durch die elektropositive Wirkung des Siliciums sind die TMS-Protonen besonders stark abgeschirmt. Ihr Signal befindet sich meist ganz rechts im Spektrum, wo kaum mehr Protonen aus organischen Verbindungen zu finden sind. TMS enthält 12 völlig identische Protonen, gibt daher nur 1 Signal be- sonders großer Intensität. Man benötigt somit nur geringe Mengen der Standard- substanz zur Markierung des Nullpunktes. Die ppm-Skala wird dann vom Nullpunkt weg nach links aufgetragen. Aufspaltung in Multipletts Mit der Entwicklung höher auflösender Geräte hat man erkannt, dass die NMR-Sig- nale für chemisch äquivalente Protonen in vielen Fällen eine Feinstruktur besitzen. Diese Signale sind in mehrere kleine Signale aufgespalten, die zusammen Multipletts genannt werden. Diese Signalaufspaltung lässt sich durch die Wechselwirkung mit anderen Protonen (Spin-Spin-Kopplung) erklären. Die Feldstärke um das Proton wird nicht nur durch die Elektronendichte, sondern auch durch den Spin der Nachbar- protonen beeinflusst. Diese Kopplung tritt mit den Protonen des benachbarten C- Atoms auf. Chemisch äquivalente Protonen koppeln untereinander nicht. Allgemein gilt: Die Aufspaltung der Signale in Multipletts wird von den Protonen am Nachbar-C-Atom verursacht. Die Multiplizität (dh. die Anzahl der Feinsignale in einem Grundsignal) beträgt N+1, wenn N die Anzahl der Protonen am Nachbar-C-Atom ist. 1 Proton verursacht daher ein Dublett bei den Protonen am Nachbar-C-Atom, 2 Pro- tonen ein Triplett, 3 Protonen ein Quadruplett etc. Das Intensitätsverhältnis der Peaks der Feinstrukturen lässt sich mit dem Pascal´schen Dreieck berechnen: Dub- lett 1:1, Triplett 1:2:1, Quadruplett 1:3:3:1 etc. An unserem Beispiel Ethanol sieht man daher ein Triplett für die CH 3 -Gruppe, hervorgerufen durch die benachbarte CH 2 - Gruppe, ein Quadruplett für die CH 2 -Gruppe, hervorgerufen durch die benachbarte CH 3 -Gruppe, und ein Singulett für das Proton der OH-Gruppe, das am O-Atom hängt und keine Spin-Spin-Kopplung zeigt (Abb. 95.1). Merke: Die Multiplizität gibt nicht die Protonen der dem Signal zugeordneten Grup- pe selbst an, sondern ist um 1 höher als die Protonenanzahl am Nachbar-C-Atom. Die Protonenzahl der Gruppe wird durch die Peakfläche angegegeben. Die NMR-Spektroskopie wurde 1946 vom Schweizer Felix Bloch (1905–1983) und dem Amerikaner Edward Purcell (1912–1997) entwickelt (Nobelpreis 1952). Die Methode hat sich in der organischen Forschung rasch durchgesetzt. Die NMR-Spektren sind relativ einfach interpretierbar und geben viele Informationen zum Molekülbau. Lei- der sind die NMR-Spektrografen aufwändige und teure Geräte. Je besser die Auflö- sung des Gerätes sein soll, desto stärker muss das angelegte Magnetfeld sein. In modernen Geräten erreicht man magnetische Flußdichten von 10 Tesla und mehr. Dies ist etwa das 300 000fache des Erdmagnetfeldes. Dazu benötigt man supralei- tende Elektromagnete, deren Spulen mit flüssigem Helium gekühlt werden. Heute geht die NMR-Spektroskopie weit über die hier beschriebene Protonenreso- nanzspektroskopie hinaus. Einerseits werden viele Elemente mit geeignetem Kern- spin eingesetzt, andererseits ist eine In-vivo-Messung an biologischen Systemen möglich geworden. Daraus hat sich eine medizinische Untersuchungsmethode, die Kernspintomografie, entwickelt. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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