EL-MO II Moleküle, Schulbuch

86 5 reaKTIOnSMeCHanISMen an der primären Stelle nicht möglich. Man benötigt also einen Reaktionsweg, der solche Produkte zugänglich macht. Dies gelingt mit der radikalischen Addition. Wir betrachten nun die Addition von HBr an ein Alk-1-en. Um die Addition in einen radikalischen Mechanismus zu zwingen, benötigt man eine Startreaktion. Mit den Reaktionspartnern ist eine solche nicht möglich. Weder HBr noch das Alken besitzen so schwache Bindungen, dass UV-Licht Radikale erzeugen kann. Zum Start gibt man daher eine kleine Menge Radikalstarter zu. Dies sind organische Moleküle, die bei UV-Bestrahlung leicht in Radikale zerfallen. Meist verwendet man organische Per- oxide, bei denen die Bindung zwischen den O-Atomen besonders schwach ist (Abb. 86.1). Radikale sind nicht nur zur Substitution befähigt, sondern auch zur Addition. Das Radikal •O–R addiert daher an das Alken. Es benötigt eines der 2 π-Elektronen zur Bindung und bindet sich damit an die primäre Stelle (festere Bindung). Das 2. bleibt als Radikalelektron übrig. Dieses Radikal greift nun im 2. Kettenschritt HBr an und entzieht von dort einen Wasserstoff. Wie schon von der radikalischen Substitution bekannt, ist die sekundäre C–H-Bindung etwas stärker als die H–Br-Bindung – die Reaktion ist daher energetisch möglich. Bei diesem Reaktionsschritt entsteht ein Brom-Radikal. Dieses ist für die Radikalkette nötig. Der Startschritt ist also an dieser Stelle beendet (Abb. 86.1). Das Br-Radikal addiert nun an das Alken wie vorher das Starter-Radikal. Als er- stangreifendes Teilchen bindet es an der stabileren primären Stelle. Das entstehen- de C-Radikal sättigt sich wieder durch Wasserstoffentzug aus HBr ab. Ein neues Br-Radikal entsteht, der Kettenmechanismus läuft (Abb. 86.1). 1-Bromalkan, das Anti-Markownikow-Produkt, ist entstanden. Die radikalische Addition hat allerdings ihre Grenzen. Nicht jede Verbindung kann auf diese Weise addiert werden. HCl zB hat eine zu feste Bindung. Das sekundäre Kohlenstoff-Radikal kann HCl nicht angreifen. (Der umgekehrte Reaktionsschritt war bei der radikalischen Substitution ja ein freiwilliger Schritt.) Auch Halogene können nach dem Radikalmechanismus addiert werden. Allerdings führt die Reaktion zum selben Produkt wie die AE-Reaktion, da die Halogen-Atome nicht unterscheidbar sind. In diesem Fall entfällt die Zugabe eines Radikalstarters. Als Nebenreaktion tritt Substitution in Allylstellung auf. (Siehe Kap 5.1 und Versuch 86.1) Um die radikalische Reaktion zu erzwingen, ist nicht nur die Zugabe eines Radikalstarters nötig. Auch die Wahl des richtigen Lösungsmittels spielt eine entscheidende Rolle. Mit polaren Lösungsmitteln, die Ionen solvatisieren und damit stabilisieren, ist der elektrophile Mechanismus begünstigt, in unpolaren der radikalische. (Versuch 86.1) Die Addition an C=O und C N C=O-Bindung und CN-Bindung sind polarisiert und damit sowohl für Nucleophile, wie für Elektrophile ein Angriffsziel. Viele dieser Reaktionen werden durch starke Säuren (elektrophiler Angriff eines H + -Ions) oder durch starke Basen (nucleophiler Angriff eines OH – -Ions) katalysiert. Beispiele: • Bildung von Halbacetalen und Halbketalen durch Addition von Alko - holen an Aldehyde bzw. Ketone. • Aldol-Addition (Siehe Kapitel 3.4) • Verseifung von Nitrilen (Siehe Kapitel 4.1) ■ 86.1: Elektrophile Addition Man füllt jeweils einige mL Hex-1-en (oder ein anderes Alken) in 2 große Reagenzgläser. Zum einen gibt man einige mL Bromwasser und schüttelt kräftig. Sofortige Entfärbung durch Bromaddition. Zum zweiten gibt man eine Lösung von Brom in CCl 4 . Auch hier tritt Entfärbung ein. Im unpolaren Milieu verläuft die Reaktion aber zumindest teilweise radika- lisch. Die Nebenreaktion (Substitution in Allyl- stellung) führt zu sichtbarer HBr-Entwicklung. Entsorgung: Kanister Cl leHrerVerSuCH R C R O R C R O R C R OH R C OH R O CH 3 H R C OH R O CH 3 R C O R O CH 3 CH 3 O CH 3 OH OH H 2 O H CH 3 OH H CH 3 OH CH 3 O Halbketal säurekatalysiert basekatalysiert C C H Br C C H H Br H Br H H C C H C C H H H H H H H H H H O O C C C C O C C H H H H H H H H C C O H H H H H H H H H C C C C H H H H H H H H C C C C H H H Br H H H H H H O O Br Br H R R R R R R [UV] Startreaktion Radikalkette Abb. 86.1: Radikalische Addition Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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