EL-MO II Moleküle, Schulbuch

84 5 reaKTIOnSMeCHanISMen ■ 84.1: Nucleophile Substitution In den Rundkolben der dargestellten Appa- ratur gibt man 60 mL Wasser und etwas Universalindikatorlösung. Man erwärmt bis ca. 60 °C. Dann fügt man 1 mL 2-Chlor-me - thylpropan zu. Der Indikator schlägt sofort in den sauren Bereich um. Aus dem Tropf- trichter lässt man nun so lange verdünnte NaOH zutropfen, bis die Lö- sung alkalisch ist. Nach einiger Zeit wird die Lösung wieder sauer. Die Hydroxid- Ionen der Lauge wur- den ver- braucht. Entsorgung: Abfluss leHrerVerSuCH Die nucleophile Substitution S N Bei den bisher betrachteten Substitutionsreaktionen wurde immer ein Wasserstoff durch ein anderes Atom oder eine Gruppe ersetzt. Bei der nucleophilen Substitution ist auch das ersetzte Teilchen ein Halogen-Atom oder eine Gruppe. Das angreifende Teilchen bei S N -Reaktionen ist ein Nucleophil , also ein Teilchen mit negativer Ladung oder zumindest negativer Polarisierung und nichtbindendem Elek- tronenpaar. Halogenid-Ionen, Hydroxid-Ionen, Alkoholat-Ionen sind typische Beispie- le für Nucleophile. Dieses Nucleophil greift an Stellen möglichst hoher positiver Ladung an, in organischen Molekülen also an positiv polarisierten Kohlenstoff-Ato- men. Diese positive Polarisierung wird von elektronegativen Atomen (Halogene) oder Gruppen bewirkt. Diese Atome oder Gruppen werden nun als (meist) negative Ionen vom Nucleophil aus dem organischen Molekül verdrängt, daher als „leaving group“ bezeichnet. Sie sind nun ihrerseits Nucleophile. Reaktionsschema: Auf welcher Seite bei dieser Reaktion das Gleichgewicht liegt, hängt von der Nuc- leophilie der Teilchen ab. Das stärkere Nucleophil verdrängt im Allgemeinen das schwächere aus dem organischen Molekül. Die Williamson’sche Ethersynthese (Kap.3.3) ist ein Beispiel dafür. Als stark vereinfachende Faustregel gilt: Starke Basen sind im Allgemeinen starke Nucleophile, daher schlechte leaving groups. Die starke Base Alkoholat verdrängt bei der Ethersynthese die schwache Base Chlorid. Alko- hole oder Ether reagieren daher nur in stark saurer Lösung nach S N . Dabei wird der Sauerstoff am nichtbindenden Elektronenpaar protoniert. Nun ist nicht mehr Hyd- roxid oder Alkoholat (stark basisch) leaving group, sondern Wasser oder Alkohol (schwach basisch). Die nucleophile Substitution kann nach zwei verschiedenen Mechanismen ablaufen, die man S N 1 und S N 2 nennt. Bei der S N 1-Reaktion erfolgt zuerst die Abspaltung der leaving group. Dabei ist nur der organische Ausgangsstoff beteiligt (unimolekulare Reaktion S N 1). In diesem langsamsten und damit geschwindigkeitsbestimmenden Schritt entsteht ein positiv geladenes Kohlenstoff-Ion (Carbenium-Ion) als Zwischen- produkt. Dieses reagiert dann in einer raschen Reaktion mit dem Nucleophil zum Endprodukt. Bei der S N 2-Reaktion erfolgen Angriff des Nucleophils und Ablösung der leaving group synchron. Am Reaktionsschritt sind sowohl das Nucleophil als auch der orga- nische Ausgangsstoff beteiligt (bimolekulare Reaktion S N 2). Ob die Reaktion nach dem S N 1- oder S N 2-Mechanismus abläuft, hängt vor allem vom Kohlenstoff-Atom ab, an dem substituiert wird. An tertiären Stellen ist die Ablösung der leaving group relativ leicht möglich. Das Carbenium-Ion ist durch den +I-Effekt der Alkylgruppen stabilisiert. Daher sind überwiegend S N 1-Reaktionen zu erwarten. An primären Kohlenstoff-Atomen sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Hier ist nur der S N 2-Mechanismus möglich. Bei Substitutionen an sekundären Stellen kann der Mechanismus durch die Reaktionsbedingungen nach S N 1 oder S N 2 gedrängt werden. Ionenstabilisierende Lösungsmittel begünstigen den S N 1-Mechanismus. In den Produkten treten Unterschiede auf, je nachdem, ob die Reaktion nach S N 1 oder S N 2 abgelaufen ist. Der wichtigste Unterschied ist bei der Substitution an chi- ralen Zentren zu beobachten. Das Carbenium-Ion als Zwischenprodukt bei S N 1 ist eben, die Angriffswahrscheinlichkeit des Nucleophils von beiden Seiten gleich groß. Daher kommt es zu einer Racemisierung bei der S N 1-Reaktion. Bei der S N 2-Reaktion bleibt die optische Aktivität erhalten. Allerdings kommt es zu einer Umkehr der Kon- figuration. (Abb. 84.1 und 84.2) Cl OH C R a R b R c R a C R b R c Cl R a C R b R c H HOH Cl C R a R b R c Cl OH Cl C R a R b H R a C R b H Cl OH OH R a C R b H verdünnte NaOH Wasserbad Rückflusskühler Wasser Universalindikator 2-Chlor-methylpropan Abb. 84.1: Lukas-Test – eine S N 1-Reaktion Abb. 84.2: S N 2-Reaktionen laufen unter Umkehr der Konfiguration Nu 2 Nu 1 R Nu 2 R Nu 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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