EL-MO II Moleküle, Schulbuch

57 3.5 carBOnsäuren Der induktive Effekt (I-Effekt) Es gibt Gruppen, die entweder eine elektronenanziehende Wirkung ( –I-Effekt ) oder eine elektronenliefernde Wirkung ( +I-Effekt ) haben. Dieses „Elektronenverschie - ben“ bezeichnet man als induktiven Effekt. Charakteristisch für den I-Effekt ist, dass er über σ -Bindungen wirkt und sein Einfluss rasch geringer wird, je weiter der I- Substituent vom Ort der Betrachtung entfernt ist. Vor allem spielen also Substitu - enten an α -C-Atomen eine Rolle. Als Nullpunkt für den induktiven Effekt wird die Wirkung des H-Atoms gewählt. Alle Gruppen, die verglichen mit Wasserstoff Elektronen abziehen, haben einen –I-Effekt (Abb. 57.2). Dies sind vor allem elektronegative Atome wie die Halogene und Grup - pen mit elektronegativen Atomen wie Stickstoff und Sauerstoff und natürlich auch Gruppen mit einer positiven Ladung. Einen +I-Effekt haben Gruppen, die im Vergleich zu Wasserstoff „elektronenschiebend“ wirken (Abb. 57.1). Dies sind Alkylgruppen und negativ geladene Gruppen. Der I-Effekt liefert vor allem dann gute Erklärungen, wenn es um die unterschiedli - chen Säurestärken innerhalb einer Verbindungsklasse geht. So zeigen Carbonsäuren deutliche Unterschiede in ihrer Säurestärke, wenn sie am α -C-Atom Gruppen mit induktivem Effekt gebunden haben. +I-Gruppen erhöhen die Elektronendichte am Carboxylat-Ion, machen also die konjugierte Base stärker und damit die Säure schwä - cher. –I-Gruppen wirken genau umgekehrt. Einige Beispiele sollen das Gesagte ver - deutlichen: a) Je länger die Kohlenwasserstoffkette ist, desto schwächer ist die Säure. Deutli - che Unterschiede treten nur bei den ersten drei Alkansäuren auf, da bei länge - ren Ketten die neu hinzukommende +I-Gruppe schon zu weit entfernt ist. b) Der induktive Effekt wirkt nur über eine Einfachbindung deutlich. Säuren mit Alkyl-Verzweigungen am α -C-Atom sind schwächer als unverzweigte. Am α -C- Atom wirken die +I-Effekte der Alkylgruppen optimal. c) Auch –I-Substituenten wirken nur über eine Einfachbindung optimal. So ist α -Chlorpropansäure deutlich stärker als β -Chlorpropansäure. d) Die Säurestärke nimmt mit der Zahl der –I-Substituenten zu. e) Dicarbonsäuren sind in der 1. Protolysestufe stärker als Monocarbonsäuren (–I- Effekt der Carboxylgruppe) und in der 2. schwächer (+I-Effekt des Carboxylat- Ions). Je länger die Kette zwischen den Carboxylgruppen ist, desto geringer sind die Unterschiede zwischen den beiden Protolysestufen. ■ 57.1: Reih folgende aliphatischen Al - kohole nach steigender Säurestärke; stell dabei dieselben Überlegungen (I-Effekte) an wie bei den Carbonsäuren: Methanol, Butan-1-ol, Propan-1-ol, Ethanol, Propan-2-ol, Methyl-propan-2-ol, Butan-2-ol ÜBUngEn Säurestärke H COOH H 3 C COOH COOH COOH Capronsäure Propionsäure Essigsäure Ameisensäure COOH COOH COOH Säurestärke a -Methyl-buttersäure b -Methyl-buttersäure Buttersäure COOH COOH COOH Cl Säurestärke Cl a -Chlor-propansäure b -Chlor-propansäure Propansäure H 3 C COOH ClH 2 C COOH Cl 2 HC COOH Cl 3 C COOH Säurestärke Essigsäure Monochlor-essigsäure Trichlor-essigsäure Dichlor-essigsäure R C H CH 3 C O O e – e – R C H Cl C O O e – e – pK A -Wert Methansäure 3,75 Ethansäure 4,75 Propansäure 4,87 Butansäure 4,81 Pentansäure 4,82 2-Methyl-propansäure 4,86 2,2-Dimethyl-propansäure 5,05 2-Chlor-propansäure 2,83 3-Chlor-propansäure 3,98 Chlor-ethansäure 2,85 Dichlor-ethansäure 1,48 Trichlorethansäure 0,70 Ethandisäure 1.Stufe 1,23 2.Stufe 4,19 Propandisäure 1.Stufe 2,83 2. Stufe 5,69 Butandisäure 1.Stufe 4,16 2.Stufe 5,61 Phenol 9,89 2,4,6-Trinitro-phenol 0,38 Ethanol 17,00 Der pK A -Wert für Propansäure lässt sich mit der gängigen Theorie nicht erklären. Siehe auch Fp von Propan. (Abb. 20.1) Abb. 57.2: Wirkung eines –I-Substituenten: Die Base wird durch die verringerte La- dungsdichte stärker, ihre konjugierte Säu- re schwächer. Abb. 57.1: Wirkung eines +I-Substituenten: Die Base wird durch die erhöhte Ladungs- dichte stärker, ihre konjugierte Säure schwächer. Abb. 57.3: pK A -Werte organischer Säuren Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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