EL-MO II Moleküle, Schulbuch

56 3 OrganIsCHe SauersToFFVerbIndungen Die Stärke von organischen Säuren Neben den Carbonsäuren zählen nach der Brönstedt-Theorie eine Vielzahl weiterer Verbindungen, wie zB Alkohole und Phenole, zu den Säuren. Vergleicht man die Säu - restärken, so findet man große Unterschiede vor allem zwischen den Verbindungs - klassen, aber auch innerhalb dieser. Dies lässt sich durch zwei Effekte erklären, den mesomeren Effekt und den induktiven Effekt. Der mesomere Effekt (M-Effekt) Mit dem mesomeren Effekt lassen sich die großen Unterschiede in der Säurestärke zwischen den Verbindungsklassen erklären. Verglichen werden Carbonsäuren (mit - telstarke bis schwache Säuren mit p K A -Werten um 4), Phenole (sehr schwache Säu - ren mit p K A -Werten um 9) und aliphatische Alkohole (schwächere Säuren als Wasser mit p K A -Werten um 20). Die Stärke der Säuren lässt sich am besten über die Stärke ihrer konjugierten Basen verstehen. Vergleichen wir also die Basenstärke des Carboxylat-Ions, des Phenolat- Ions und des Alkoholat-Ions mit einem elektrostatischen Modell. Eine Base ist umso stärker, je stärker ihre Anziehungskraft auf Protonen ist. Alle Ionen in unserem Ver - gleich sind negativ geladen, ziehen also Protonen an. Elektrostatisch ist die Anzie - hungskraft auf entgegengesetzte Ladungen von der elektrischen Feldstärke (Feld - liniendichte) abhängig. Diese steigt mit der Ladung und der Größe des Bereiches, auf den die Ladung verteilt ist. (Ladungsdichte: Abb. 56.1) Die Ladung ist bei allen Ionen in unserem Vergleich gleich groß, die Ladungsdichte allerdings sehr unterschiedlich. Sie lässt sich mit dem Modell der Mesomerie ver - stehen, das wir bereits kennen gelernt haben. (Elemente, Kap. 2.4; Moleküle, Kap. 2.6) Viele Molekülstrukturen lassen sich nicht durch eine einfache Strukturformel beschreiben, sondern nur durch mesomere Grenzstrukturen umschreiben. Der „wahre“ Zustand liegt irgendwo zwischen den Grenzstrukturen, die mehr oder we - niger gute Annäherungen sind. Die Elektronenverteilung wird durch π -Elektronen und konjugierte Bindungen erklärt. Das Alkoholat-Ion hat eine negative Ladung am Sauerstoff (Abb. 56.2). Da keine π -Elektronen vorhanden sind, ist die Ladung am Sauerstoff fixiert, die Ladungsdich - te daher am größten. Das Alkoholat-Ion ist in unserem Vergleich die stärkste Base, der Alkohol die schwächste Säure (je stärker die Base, desto schwächer ihre konju - gierte Säure). Das Phenolat-Ion kann die negative Ladung vom Sauerstoff teilweise in den Ben - zenring verteilen. Die mesomeren Grenzstrukturen, die alle konjugierte Doppelbin - dungen enthalten müssen (Abb. 56.3), zeigen dies. Allerdings beschreibt die Grenz - struktur mit der Ladung am Sauerstoff den wirklichen Zustand am besten, die Strukturen sind nicht gleichwertig. Trotzdem ist die Ladungsdichte am Sauerstoff weit geringer als beim Alkoholat-Ion. Das Phenolat-Ion ist eine schwächere Base als das Alkoholat-Ion, Phenol daher eine stärkere Säure als Alkohol. Beim Carboxylat-Ion sieht man durch zwei völlig gleichwertige Grenzstrukturen (Abb. 56.5), dass die Ladung auf beide Sauerstoff-Atome gleichmäßig verteilt ist. Die Ladungsdichte und daher die Basenstärke ist am geringsten. Die Carbonsäure ist in unserem Vergleich die stärkste Säure. Der M-Effekt erklärt in manchen Fällen auch Unterschiede, die innerhalb einer Ver - bindungsklasse auftreten. So ist 2,4,6-Trinitro-phenol eine für Phenole ungewöhnlich starke Säure mit einem p K A -Wert von 0,38. Der Grund sind die konjugierten Nitro- Gruppen, die nun eine starke Ladungsverteilung bewirken. (Abb. 56.4) Solchen elek - tronenabziehenden Gruppen schreibt man einen –M-Effekt zu. Das Phenolat-Ion dagegen liefert Elektronen und hat, wie ersichtlich, einen +M-Effekt (Abb. 56.3). O O O O 2 N N NO 2 O O O 2 N NO 2 NO 2 O NO 2 N NO 2 O O O 2 N NO 2 N O O R C O O R C O O O O O O R O Alkohol Alkoholat H R O Abb. 56.2: Säurewirkung der Alkohole Abb. 56.1: Ladungsdichte und Feldstärke Abb. 56.3: Phenolat-Ion und seine mesomeren Grenzstrukturen hohe Ladungsdichte → hohe Feldstärke geringe Ladungsdichte → geringe Feldstärke Abb. 56.4: Der –M-Effekt der Nitro-Gruppe Abb. 56.5: Die Grenzstrukturen des Carboxylat-Ions Nur zu Prüfzwecken – Eigent m des Verlags öbv

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