EL-MO II Moleküle, Schulbuch

4 Organische Chemie DIE ANFäNGE Seit frühesten Zeiten beschäftigt sich „die Chemie“ (arab.: al chymija) mit Stoffen aus unterschiedlichen Bereichen der Natur. Einerseits werden und wurden minera- lische Stoffe untersucht, andererseits interessierte man sich für Substanzen aus lebenden Organismen, den Pflanzen und Tieren. Die „Kunst“ der Chemie verbreitete sich als Alchemie von Ägypten über Spanien nach Europa. Der Name „Alchemie“ stammt aus dem Arabischen und kann frei über- setzt als „Kunst der Ägypter“ oder „Schwarze Kunst“ gedeutet werden. Die exakte Bedeutung des Namens ist noch nicht geklärt. Die Alchemisten beschäftigten sich vorwiegend mit mineralischen Stoffen, Erzen und Metallen. Im 16. Jh. entwickelte sich eine neue Periode der Chemie, die Iatrochemie (griech.: iatros = Arzt, Heilkundiger), deren Vertreter sich als Unterstützer der Mediziner an- sahen und sich daher vornehmlich der Bereitung von Medikamenten aus pflanzli- chen und tierischen Rohstoffen widmeten. Bekanntester Vertreter der Iatrochemie war Theophrastus Bombastus von Hohenheim , genannt Paracelsus (1494–1541), der unter anderem in Salzburg lehrte. Aus diesen beiden Wurzeln, der Alchemie einerseits und der Iatrochemie anderer- seits, entwickelten sich zwei Richtungen der Chemie. Eine erste Einteilung in orga- nische und unorganische Stoffe findet man bereits bei Johann Daniel Mylius (1585– 1628). Lange Zeit nahm man an, dass zur Erschaffung organischer Stoffe eine „vis vitalis“ genannte Lebenskraft nötig sei, da man in der Natur nur Vorgänge beobachten konnte, bei denen sich organische Stoffe zu unorganischen zersetzten, nicht aber umgekehrt. Diese Vorstellung wurde 1828 von Friedrich Wöhler (1800–1882) durch seinen berühmt gewordenen Versuch widerlegt. Er schrieb damals voller Euphorie an Berzelius: „ ... denn ich kann, so zu sagen, mein chemisches Wasser nicht halten und muss Ihnen sagen, dass ich Harnstoff machen kann, ohne dazu Nieren oder überhaupt ein Tier, sei es Mensch oder Hund, nötig zu haben. Das cyansaure Ammonium ist Harn- stoff ... “ Es war ihm gelungen, aus dem mineralischen Salz Ammoniumcyanat Harn- stoff herzustellen, eine Substanz, die bislang nur in der Niere tierischer Organismen synthetisiert wurde. 1952 konnte der amerikanische Student Stanley Miller (1930–2007) in dem nach ihm benannten Versuch aus einem Gasgemisch von Methan, Wasserdampf, Wasserstoff und Ammoniak Aminosäuren – die Bausteine der Proteine – erzeugen, ein weiterer spektakulärer Versuch, der zeigte, dass organische Stoffe ohne „vis vitalis“ herstell- bar sind. Beginnend mit Mitte des 19. Jhs. häuften sich die Entdeckungen organischer Stoffe und gleichzeitig begann sich eine Industrie zu entwickeln, die diese Produkte in gro- ßem Maßstab auf den Markt brachte. Farbstoffe zur Färbung von Textilien standen dabei im Vordergrund. Die Namen mancher heute noch bestehender Firmen zeigen das eindrucksvoll (BASF – Badische Anilin- und Sodafabriken, AGFA – Aktiengesell- schaft für Anilinfarben etc.). Neben den Farbstoffen entwickelten sich im 20. Jh. vor allem Kunstfasern, Kunst- stoffe, Pestizide, Konservierungsmittel und Medikamente zu Produkten der organi- schen Chemie mit großer Bedeutung. Die exakte Untersuchung organischer Stoffe begann mit Lavoisiers Verbrennungs- analyse, bei der er feststellte, dass organische Verbindungen vor allem aus Kohlen- stoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff bestehen. In den 20er Jahren des 19. Jhs. fand man organische Stoffe, die in ihrer prozentualen Zusammensetzung gleich, in ihren Eigenschaften aber sehr verschieden waren (Faraday: Ethin [früher: Acety- len] C 2 H 2 und Benzen [früher: Benzol] C 6 H 6 , Ethen C 2 H 4 und Buten C 4 H 8 , Berzelius 1830: Weinsäure und Traubensäure). Mit den damaligen Mitteln konnte ein Unter- schied im chemischen Aufbau dieser Stoffe nicht nachgewiesen werden. Berzelius formulierte für die Tatsache, dass verschiedene Stoffe die gleiche Zusammensetzung haben, den Begriff Isomerie. (Griech.: isos = gleich; meros = Teil) Abb. 4.1: Mittelalterliche Seifensiederei Abb. 4.3: Friedrich Wöhler (1800–1882) Abb. 4.2: Jöns Jakob Berzelius (1779–1848) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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