EL-MO II Moleküle, Schulbuch

168 Bedürfnis nach Hygiene ist keine Erfindung der Neuzeit. Im Altertum nützte man die Waschwirkung des Wassers und unterstützte sie durch mechanische Bearbeitung. Auch die bleichende Wirkung der Sonne wurde früh erkannt. Regenwasser und erhitztes Wasser verbesserten die Waschwirkung. Das älteste Reinigungsmittel in unserem heutigen Sinn ist die Seife . Sie wurde bereits von den Su- merern 2500 v. Chr. hergestellt. (Keilschrifttafeln beschreiben die Gewinnung einer seifenähnlichen Substanz aus Holzasche und Öl.) Über 3000 Jahre lang galt Seife als Kosmetik- und Heilmittel. Die heutigen Reinigungsstoffe – vom Haarshampoo bis zu den Waschmitteln – enthalten eine Vielzahl von Verbindungen, die als Ge- samtsystem einer Fülle von Ansprüchen gerecht werden sollen: gute Reinigung • praktische Anwendung • günstiger Preis • gute Hautverträglichkeit • Schonung der Wäsche • Schonung der Waschmaschine • gute biologische Abbaubarkeit In den 1950er und 1960er Jahren stand die gute Reinigungskraft im Vordergrund. In der heutigen Zeit wird auf die Umweltverträg- lichkeit der Substanzen immer größerer Wert gelegt. Allerdings will man auch heute die gewohnte Reinigungskraft beibehalten. 11.1 DER WASChPROZESS Grenzflächenspannung • Grenzflächenaktive Substanzen • Tenside • Micellen • Solubilisierung • Emulgierung Aufgabe jedes Reinigungsprozesses ist es, Verschmutzungen unterschiedlichster Art – Staub, Schweiß, Fett, Nahrungsmittelrückstände – zu entfernen (Abb. 168.1). Was- ser ist der wichtigste Partner beim Waschprozess. Wasser dient als Lösungsmittel für wasserlösliche Verschmutzungen und für die Reinigungssubstanzen. Weiters ist Wasser das Transportmittel für gelösten oder dispergierten (= fein verteilt) Schmutz. Zwischen Wasser und anderen Stoffen – Öl, Luft etc. – besteht eine Grenzfläche. Um diese Grenzfläche möglichst klein zu halten, strebt Wasser eine geringe Ober- fläche an (Tropfenform). Jeder Vergrößerung dieser Grenzfläche setzt Wasser eine Kraft entgegen. Diese Kraft nennt man Oberflächen- oder Grenzflächenspannung. Sie ist bei Wasser besonders groß. Die Grenzflächenspannung ist für jegliche Form der Benetzung hinderlich (verglei- che Wasser auf einem fetten Teller). Für einen effektiven Waschvorgang muss diese Grenzflächenspannung reduziert werden. Dies kann durch Substanzen bewirkt wer- den, die das Bestreben haben, sich an Grenzflächen (zB der Wasseroberfläche) zu verteilen. Grenzflächenaktive Substanzen bestehen immer aus 2 Molekülbereichen, einem polaren Teil (= hydrophiler Teil) und einem unpolaren Teil (= hydrophober Teil). Solche Substanzen werden häufig durch das Symbol wie in Abb. 168.2 dargestellt. Grenzflächenaktive Substanzen nennt man auch Tenside . (Lat.: tensio = Spannung) Ein einfaches Tensid ist Seife. Unter „Seife“ versteht man die konjugierte Base von Fettsäuren (in Form des Kalium- oder Natriumsalzes). Die negativ geladene Carbo- xylatgruppe ist der hydrophile, der unpolare Kohlenwasserstoffrest der hydrophobe Bereich. Gibt man Tenside in Wasser, so verteilen sie sich auf der Wasseroberfläche. Der hy - drophile Anteil ist im Wasser „gelöst“, der hydrophobe Bereich „ragt“ aus dem Was - ser. Durch diesen Vorgang wird die Oberflächenspannung stark gesenkt. Wasserun- lösliche Verschmutzungen, zB Fett, werden vom hydrophoben Teil des Tensidmoleküls erfasst. Durch mechanische Beanspruchung werden diese Aggre - gate zerkleinert und es lagern sich erneut Tensidmoleküle an. Sind alle Grenzflächen von Tensiden besetzt, führt eine weitere Tensidzugabe zur Micellenbildung. Micellen sind meist kugelförmige Einheiten, bei denen der hydrophobe Anteil nach in- nen weist. Sie dienen zur Nachlieferung freier Tenside bzw. es wird hydrophober Schmutz in ihrem Inneren eingelagert und so in Lösung gehalten. Je nach Konzentrati- on verändert sich die Form der Micellen, bis sie bei sehr hohen Konzentrationen an Tensidteilchen spezielle flüssigkristalline Phasen ausbilden. Das Solubilisierungsvermögen der Tenside – dh. ihre Eigenschaft, in Wasser nahezu unlösliche Stoffe in micellaren Lösungen teilweise zu lösen – ist ebenso für den Waschprozess von Bedeutung, wie ihr Emulgier- und Dispergiervermögen. Sie bilden mit öligen/fetten Anschmutzungen (hydrophob) fein verteilte Emulsionen, mit Pig- mentschmutz ebensolche Dispersionen. Das Zusammentreten der emulgierten bzw. dispergierten Partikel ist aufgrund der gleichnamigen Ladung der Tensidteilchen Schmutz wasserlöslich nicht wasserlöslich Pigmentschmutz Fettschmutz Eiweißschmutz Kohlenhydrat- schmutz waschbarer Schmutz nicht waschbarer Schmutz bleichbarer Schmutz nicht bleichbarer Schmutz anorgan. Salze, Schweiß, Zucker, Harnstoff Metalloxide, Staub, Erde Hautfett, Speiseöle, Schmalz, Mineralöle Blut, Ei, Milch Stärke, Breie Obst, Tee, Rotwein, Gemüse Teer, Lacke, Farben H 3 C H 2 C CH 2 H 2 C CH 2 H 2 C CH 2 H 2 C CH 2 H 2 C CH 2 COO Abb. 168.2: Aufbau eines Tensidteilchens am Beispiel der Seife Abb. 168.1: Die Arten von Schmutz 11 Waschmittel mg37zx Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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