EL-MO II Moleküle, Schulbuch

163 10.3 KAuTSchuk unD GummI Naturkautschuk kommt als Emulsion im Milchsaft des Gummibaumes (Hevea brasi- liensis und verwandte Arten) vor. Chemisch ist er ein Polyisopren, gehört also zur Gruppe der Isoprenoide. (Kap. 2.4) Durch die Biokatalysatoren der Pflanze verläuft die Polymerisation des Isoprens stereospezifisch ausschließlich 1,4 und all-Z. Zur Gewinnung wird der Baum verletzt und die austretende Latexmilch gesammelt. Durch Erhitzen oder Ansäuern koaguliert der Kautschuk und kann abgetrennt wer- den. Naturkautschuk ist schon lange bekannt. Die brasilianischen Indianer verwen- deten ihn zum Abdichten von Booten und Gefäßen und zur Herstellung von Schuhen. In Europa wurden Regenmäntel und Radiergummis daraus hergestellt. 1839 ent- deckte der Amerikaner Charles Goodyear (1800–1860) das Vulkanisieren und damit die Gummiherstellung. Zusammen mit der aufkommenden Motorisierung setzte ein regelrechter Kautschuk- boom ein, der Bedarf an Gummi war kaum zu decken. Brasilien hatte praktisch das Weltmonopol. Auf die Ausfuhr von Samen des Gummibaumes stand die Todesstra- fe. Der Engländer Henry Wickham (1846–1928) schmuggelte 1876 etwa 70 000 Kau- tschuksamen aus Brasilien. England begann damit, in seinen ostasiatischen Koloni- en systematisch Kautschukplantagen anzulegen. Wickham wurde in den Adelsstand erhoben, der Plantagenkautschuk verdrängte den Wildkautschuk fast vollständig. Brasilien erzeugt heute nur mehr knapp 1 % der Weltproduktion. Größter Produzent von Naturkautschuk ist heute Indonesien. Kautschuk ist eine elastische bis plastische Masse, die bei höherer Temperatur kleb- rig wird. Beim Vulkanisieren addiert Schwefel an die Doppelbindungen der Makro- molekülketten (Abb. 163.1). Dadurch kommt es zu einer räumlichen Vernetzung. Mit 3–5 % Schwefel entsteht der elastische Weichgummi, der nur schwach vernetzt ist, mit 25–30 % Schwefel der Hartgummi, der duromer ist, heute aber nur mehr eine untergeordnete Rolle spielt. Um von den Kautschukplantagen unabhängig zu werden, wurden vor allem in Deutschland Anstrengungen unternommen, ein Ersatzprodukt zu entwickeln. Die Polymerisation von Isopren ergab anfangs unbefriedigende Resultate. Der erste brauchbare Kunstkautschuk war ein 1,3-Butadien-Polymerisat, das mit Natrium als Katalysator erzeugt und Buna® (Butadien-Natrium) genannt wurde. Die Synthese wurde bereits 1910 entdeckt, die Kunstkautschukproduktion auf dieser Basis aber vor allem zwischen den Weltkriegen vorangetrieben. Die Polymerisation erfolgt nicht so stereospezifisch wie in der Pflanze, es kommen auch 1,2-Additionen und E-Dop- pelbindungen vor. Trotzdem ist Buna® vulkanisierbar und ergibt einen Gummi guter Elastizität. Heute kennt man eine Reihe weiterer Kunstkautschuksorten. Vor allem das Copoly- merisat von 1,3-Butadien mit Styren spielt eine wichtige Rolle (etwa 50 % der Kunst- kautschukproduktion), daneben auch das Copolymerisat von 1,3-Butadien mit Ac- rylnitril. Dieses Produkt ist ein Polyisopren, das mit Ziegler-Natta-Katalysatoren hergestellt wird und dem Naturkautschuk sehr ähnlich ist. Zur Herstellung von Reifen (Abb. 163.2), dem wichtigsten Einsatzgebiet von Gummi, mischt man Naturkautschuk mit diversen Kunstkautschuksorten. Bei PKW-Reifen be- trägt der Einsatz von Naturkautschuk etwa 30 %, bei LKW-Reifen etwa 70 % der Kau- tschukmenge. Dazu kommen etwa 25 % Ruß zur Erhöhung der Abriebfestigkeit und als UV-Absorber. Dadurch wird der Gummi unempfindlicher gegen Luftsauerstoff, der sonst in einer Radikalreaktion die Doppelbindungen angreift. Etwa 5 % Schwefel und eine Reihe weiterer Chemikalien werden zugemischt. Dazu gehören Vulkanisationsbe- schleuniger, Weichmacher und Alterungsschutzmittel. Die Ausgangsstoffe werden miteinander verknetet. Nun wird der Kautschuk auf Textil- oder Stahlgewebe aufge- bracht. Diese dienen zum Übernehmen der Zugkräfte bei rascher Rotation des Reifens. Aus diesem Vormaterial wird der Reifen gewickelt. Nach dem Aufbringen der Lauffläche und des Profils wird der Reifen im Vulkanisator erhitzt, die Vulkanisation läuft ab. S S S S S S Latex Essigsäure Wasser Smoked sheets Natur- kautschuk Füllstoffe Hilfsstoffe Schwefel Kneten Reifen formen Rohling Heiß- vulkanisieren fertige Reifen Trocknen Hevea brasiliensis Homogenisieren synthetischer Kautschuk S Abb. 163.1: Vom Kautschuk zum Gummi A: Synthese in der Pflanze B: Technische Synthese Isopren Polyisopren = Kautschuk Kautschuk Gummi Abb. 163.2: Vom Gummibaum zum Autoreifen 10.3 Kautschuk unD guMMI Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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