EL-MO II Moleküle, Schulbuch

160 Polyamide PA Polyamide sind Makromoleküle, die einen ähnlichen Aufbau wie Eiweißstoffe haben, also die Monomeren durch Amidbindungen verknüpft enthalten. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, Polyamide zu erzeugen; als Ausgangsstoffe dienen entweder Diamine und Dicarbonsäuren (AA-SS-Typ) oder Aminosäuren (AS-Typ). Das erste Polyamid und zugleich die erste brauchbare vollsynthetische Textilfaser war Nylon® . Ausgangsstoffe sind Hexandisäure (Adipinsäure) und 1,6-Diaminohexan (Hexamethylen-diamin). Die Mischung der beiden Substanzen, auch AH-Salz ge- nannt, spaltet beim Erhitzen Wasser ab und kondensiert so zum Polyamid. Nylon wurde 1936 in den USA von Wallace Carothers (1896–1937) entdeckt (Patent 1938 nach dem Tod des Erfinders). Heute kennt man viele ähnlich aufgebaute Typen von Polyamiden. Sie werden sys- tematisch nach der Kohlenstoffanzahl des Diamins und der Dicarbonsäure benannt. Das ursprüngliche Nylon ist also PA-66 (Abb. 160.1). Verwendung finden noch PA-610 und PA-612. Kurz nach der Entdeckung des Nylons® wurde in Deutschland ein zur Faserherstel- lung geeignetes Polyamid mit ähnlichen Eigenschaften entdeckt. Man nannte es Perlon® (Abb. 160.2). Es ist ein Polyamid vom AS-Typ. Als Ausgangsstoff zur Herstel- lung diente ε -Caprolactam, ein cyclisches inneres Amid der ε -Amino-capronsäure. Dieser Stoff ist aus billigen Rohstoffen herstellbar. (Beckmann-Umlagerung, Kap.5.4) Die Umsetzung zum Makromolekül erfolgt in Gegenwart von kleinen Mengen Was- ser, eine Wasserabspaltung im eigentlichen Sinn ist aber nicht mehr erforderlich, da ja schon im Lactam ein Amid vorliegt. Systematisch wird Perlon® PA-6 genannt. Heute kennt man auch andere Polyamide vom Aminosäuretyp wie PA-4 und PA-12. Polyamide sind relativ kurzkettige Makromoleküle, bei denen nur 40 bis 100 Einhei- ten pro Kette verknüpft sind. Sie bilden wie die Eiweißstoffe starke Wasserstoffbrü- cken. Polyamide haben daher einen ziemlich hohen Schmelzpunkt (über 200 °C). Die Moleküle vertragen aber ein Erhitzen über 280 °C ohne Zersetzung. Bei dieser Tem- peratur etwa erfolgt auch die Verarbeitung zur Textilfaser im Schmelzspinnverfah- ren. Nach dem Verspinnen werden die Fasern auf etwa die vierfache Länge ver- streckt. Dadurch liegen die Makromoleküle in der Kette parallel und die Wasserstoffbrücken zwischen den Ketten werden voll wirksam. PA ist eine hoch- reißfeste Textilfaser von guter Elastizität für Strumpfhosen (bei Massenware heute durch PET verdrängt), Unterwäsche und Sportbekleidung. Auch heute noch wird hauptsächlich PA-6 und PA-66 eingesetzt (Verhältnis etwa 60 : 40 %). Ihr Einsatz zur Herstellung von billigen Strümpfen („Nylons“) als Ersatz für die fast unerschwingli- chen Seidenstrümpfe machte die Faser so beliebt und bekannt, dass Nylon® im Volksmund bald zum Synonym für Kunststoff wurde. Weitere Verwendungen für Polyamide sind reißfeste Seile, Angelschnüre, Dübel, aber auch kompaktere Teile wie geräuscharme Zahnräder, Sturzhelme und Heizöltanks. Im Zweiten Weltkrieg diente die Faser in den USA als Ersatzstoff für Seide zur Fall- schirmherstellung, die nur aus den japanisch beherrschten Teilen der Welt zu bezie- hen war. Werden für die Polyamidherstellung aromatische statt aliphatischer Diamine und Dicarbonsäuren verwendet, so entstehen Kunststoffe mit hoher Festigkeit und Stei- figkeit, die auch extrem temperaturbeständig sind. Diese Polyamide bezeichnet man auch als Aramide (aromatische Polyamide). Kevlar® zB wird aus p-Diaminobenzen und Terephthalsäure erzeugt. Das Material dient als extrem belastbare Faser zur Herstellung von Reifenverstärkungen, Treibriemen, aber auch von kugelsicheren Westen und Schutzbekleidung für Forstarbeiter gegen Kettensägenunfälle und zur Herstellung hochfester Kunststoffteile (Lager). Sogar Nägel könnte man daraus pro- duzieren. Nomex® aus den entsprechenden m-Derivaten (m-Diaminobenzen und Isophthalsäure) ist bis ca. 370 °C temperaturbeständig und wird für Feuerschutzan- züge und die Flugzeuginnenausstattung verwendet. ■ 160.1: Untersuchung eines Polyamides Erhitz eine Polyamidprobe (zB ein Stück Angelschnur) in einer Proberöhre! Beob- acht das Schmelzen und erhitz bis zur Zer- setzung weiter! Prüf den pH-Wert der Zer- setzungsgase mit Universalindikatorpapier! Prüf den Geruch der Zersetzungsgase! SCHÜlerVerSuCH ■ 160.1: Welches Gas ist für den ba- sischen pH-Wert der Zersetzungsgase von Polyamiden verantwortlich? Weshalb rie- chen die Zersetzungsgase von Polyamiden wie versengte Haare? Welche Naturfasern sind den Polyamidkunststoffen chemisch ähnlich? ÜBUngEn H 2 O n mal Adipinsäure n HOOC COOH H 2 N NH 2 OC CO HN NH CO OC HN NH CO OC n mal Hexamethylendiamin Polyamid PA-66 Nylon® C CH 2 H 2 C H 2 C H 2 C C H 2 N O H N C C N N C C N N C Polyamid PA-6 Perlon® O O O O O H H H H H Abb. 160.2: Aufbau des Polyamids-6 Abb. 160.1: Aufbau des Polyamids-66 10 naTÜrlICHe und SYnTHeTISCHe MaKrOmOleKÜle Nur zu Prüfzweck n – Eig ntum des Verlags öbv

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