EL-MO II Moleküle, Schulbuch

153 kann Altpapier bei der Herstellung von Verpackungspapier, Karton und Pappen einge- setzt werden. Die Firma Hamburger zB betreibt in Pitten/NÖ ein Werk, im dem solche Verpackungspapiere ausschließlich aus Altpapier produziert werden. Für Spezialpapie- re wie zB Banknotenpapier werden Alttextilien (Hadern) verarbeitet. Die langkettige Cellulose der Baumwolle verleiht diesen Papieren besonders hohe Reißfestigkeit. Per- gamentpapier kann durch kurzes Behandeln von Papier mit konzentrierter Schwefel- säure gewonnen werden. (Versuch 152.2) Dabei quellen die Cellulosefasern und ergeben eine durchscheinende, auch im nassen Zustand ziemlich reißfeste Struktur. Echtes Per- gament ist kein Papier, es wird aus Tierhäuten hergestellt. Halbsynthetische Kunststoffe auf Cellulosebasis Cellulose ist eine Textilfaser mit ausgezeichneten Eigenschaften. Es wurde daher be- reits im 19. Jahrhundert versucht, aus der billigen Cellulose des Holzes ein längerfasri- ges Produkt zu erzeugen, das als Ersatz für Baumwolle dienen kann. Dazu muss Cellu- lose gelöst werden. Um wasserlöslich zu sein, ist sie zu wenig hydrophil (drei OH-Gruppen pro Zuckermolekül, aber zu langkettig). Für unpolare oder schwach pola- re Lösungsmittel ist sie zu hydrophil. Man ist daher 2 Wege gegangen: Entweder man verringert die hydrophile Wirkung durch Veresterung der OH-Gruppen und erhält ein in organischen Lösungsmitteln lösliches Produkt, oder man erhöht die hydrophile Wir- kung durch Einführen von ionischen Gruppen und erhält ein wasserlösliches Produkt. Das erste brauchbare Produkt erhielt C. F. Schönbein (1799–1868) im Jahre 1845, als er den Salpetersäureester der Cellulose herstellte, das Cellulosenitrat (Abb. 153.1). Die- ser ist in Aceton löslich und kann aus der Lösung versponnen werden. So entstand in Frankreich die erste Kunstseide (Chardonnet-Seide). Mit Campher als Weichmacher erzeugte man einen durchsichtigen Stoff, der als Celluloid das Trägermaterial für Filme wurde. Der Nachteil der Salpetersäureester ist ihre Feuergefährlichkeit (tödliche Brand- unfälle mit Ballkleidern, Brände in Filmstudios). Heute spielt das Material daher vor allem in der Schießpulver- und Sprengmittelindustrie eine Rolle. Als feuerungefährlicher Ersatz für Cellulosenitrat dient heute Celluloseacetat, der Essigsäureester der Cellulo- se (Abb. 153.1). Sowohl als Kunstseide (Acetatseide) als auch als Folienmaterial („Si- cherheitsfilm“, Folien zur Umkehrosmose) ist es heute in Verwendung. Die Einführung ionischer Gruppen macht Cellulose wasserlöslich. Durch Umsetzung mit Chloressigsäure (unter HCl-Abspaltung) erzeugt man Carboxymethylcellulose (Abb. 153.2). Das hydrophile Makromolekül dient als Klebstoff (Tapetenkleister) und als Schmutzträger in Waschmitteln. Die wichtigste wasserlösliche Form der Cellulose ist das Xanthogenat. Man behandelt Cellulose mit Natronlauge und Schwefelkohlenstoff. Es entsteht der Ester der Dithio- kohlensäure, das Xanthogenat. In dieser Form löst sich Cellulose in Wasser zu einer zähflüssigen Masse, der Viscose. Presst man diese durch Spinndüsen in verdünnte Schwefelsäure, so wird der Vorgang rückgängig gemacht und es entsteht ein langer seidenglänzender Cellulosefaden mit den gleichen Eigenschaften wie natürliche Cel- lulose (Abb. 153.3). Dieser wird als Verstärkung für Autoreifen (Rayon) oder als Textil- faser (Viscosefaser) verwendet. Die Chemiefaser Lenzing AG in Oberösterrreich ist der weltgrößte Hersteller solcher Fasern. Lyocell Die Belastung der Luft durch Schwefelkohlenstoffreste und Thiole und die Gewäs- serbelastung durch das beim Spinnen entstehende Natrium- und Zinksulfat haben zur Suche nach Alternativen zum Viscoseverfahren geführt. Die wichtigste Innova- tion am Cellulosefasersektor ist das Lyocell-Verfahren . Es wurde von der Firma Len- zing zur großtechnischen Produktionsmethode entwickelt. Eine große Lyocell-Anla- ge steht im Burgenland (Heiligenkreuz). Das Lyocell-Verfahren beruht auf dem physikalischen Lösen von Cellulose. Gemische aus N-Methylmorpholin-N-oxid (NMMO, Abb. 153.4) und Wasser sind in der Lage, Cellulose zu lösen. Die darin gelöste Cellulose lässt sich in einem Spinnbad aus Was- ser wieder regenerieren und ergibt Fasern mit guten Eigenschaften und hoher Nass- reißfestigkeit. Das NMMO wird zu 99 % aus dem Spinnbad wiedergewonnen. Die Gewässerbelastung kann durch Kläranlagen gering gehalten werden. Luftbelastun- gen, wie beim Viscoseverfahren, treten nicht auf. O CH 2 O O O O O O HOH 2 C CH 2 OH O O HO O OH O O 2 N NO 2 O 2 N O 2 N O NO 2 O CH 2 OH O O O O O O CH 3 OC CH 3 OC HOH 2 C CH 2 O O O O OH O OC CO CO OC CH 3 CH 3 H 3 C CH 3 O O O O O O O OH O COOH O COOH CH 2 OH O COOH OH O COOH O HOOC O HOOC Cellulose O H Cellulose O C S S Na Cellulose O H CS 2 CS 2 NaOH HOH 1 / 2 H 2 SO 4 1 / 2 Na 2 SO 4 Cellulose Cellulose- xanthogenat Regenerierte Cellulose O N O CH 3 Abb. 153.4: Das Lösungsmittel des Lyocell-Verfahrens Abb. 153.3: Xanthogenatbildung und -verspinnung Abb. 153.2: Carboxymethylcellulose Abb. 153.1: Cellulosenitrat und -acetat N-Methylmorpholin- N-Oxid (NMMO) 10.1 cellulOse – Der natÜrlIche faserstOff Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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