EL-MO II Moleküle, Schulbuch

151 10 Natürliche und synthetische Makromoleküle Neben den Nahrungsspeichern im Energiestoffwechsel (Stärke) und den Molekülen für Steuerung und Informationsweitergabe (Eiweiß, DNA) dienen Makromoleküle in der Natur hauptsächlich als Gerüst- und Faserstoffe. Die Cellulosefasern in Pflan- zenstängeln und im Holz bewirken die Reißfestigkeit. Auch im Papier erfüllen sie diese Funktion. In Form von Baumwolle dienen sie dem Menschen als wertvolle Textilfaser. Die Haare der Schafe und die Kokonfäden der Raupe des Seidenspinners sind Eiweißfasern. Auch sie sind als Textilfasern in Verwendung. Lange Zeit war der Mensch auf diese Naturstoffe angewiesen. Der Verwendungs- zweck war den Eigenschaften der Stoffe angepasst. Erst im 19. Jh. begann man, diese Naturstoffe gezielt zu verändern. Die so gewonnenen Produkte nennt man halbsynthetische Kunststoffe . Das Makromolekül selbst ist dabei natürlichen Ur- sprungs. Beispiele dafür sind die Entdeckung des Gummis durch den Amerikaner Charles Goodyear (1800–1860) 1839 durch Vulkanisation von Naturkautschuk , die Herstellung von Celluloid durch den Amerikaner Wesley Hyatt (1837–1920) 1869 und von Kunstseide durch den Franzosen Louis-Marie-Bernigaud Hilaire de Chardonnet (1839–1924) 1884. Sowohl Celluloid als auch Kunstseide wurden aus mit Salpeter- säure veresterter Cellulose hergestellt. Erst 1907 entwickelte der Belgier Leo Baekeland (1863–1944) den ersten vollsynthe- tischen Kunststoff , das nach ihm benannte Bakelit . Dabei wurden erstmals Makro- moleküle aus einfachen Grundbausteinen hergestellt, in diesem Fall aus Phenol und Formaldehyd (Methanal). Diese ersten Entdeckungen beruhten mehr auf zufälligen Beobachtungen als auf gezieltem Forschen. Reaktionsabläufe und Strukturen waren damals nicht bekannt. In den 1920er Jahren klärte der Deutsche Hermann Staudin- ger (1881–1965) den Bau von Makromolekülen auf und prägte diesen Begriff. Die Entdeckung war zu dieser Zeit sehr umstritten und wurde erst 1953 mit dem Nobel- preis belohnt. Vor allem durch die Arbeiten des Österreichers Hermann Mark (1895– 1992), der 1922 die Cellulosestruktur durch Röntgenstrukturanalyse aufklärte und mit Arbeiten über die Polymerisation die theoretische Basis zur makromolekularen Chemie legte, wurde ein gezieltes Forschen möglich. Die Zahl der neu entdeckten Kunststoffe nahm ständig zu. Erstmals war die Entwicklung der „Werkstoffe nach Maß“, bei denen die Eigenschaften dem gewünschten Verwendungszweck ange- passt werden, möglich. 10.1 CELLuLOSE – DER nATÜRLIchE FASERSTOff Zellstoff • Papier • Halbsynthetische Kunststoffe auf Cellulosebasis Cellulose ist ein Polysaccharid aus β -(1,4)-glycosidisch verknüpften D-Glucose-Ein- heiten. (Abb. 151.1 und 123.1) Die Molekülketten sind unverzweigt und lagern sich unter Ausbildung von Wasserstoffbrücken zu Bündeln zusammen, den Elementar- fibrillen. Mehrere solcher Elementarfibrillen wieder bilden eine Mikrofibrille. Durch diese Struktur ist eine hohe Reißfestigkeit gegeben. Reine Cellulosefäden treten selten auf. Die Samenhaare der Baumwolle sind ein Beispiel dafür. Auch die Stängelfasern des Flachses , aus denen das Leinen gewon- nen wird, sind fast reine Cellulose. Der weitaus größte Anteil der Cellulose liegt aber im Holz vor. Trockenes Holz besteht zu etwa 50 % aus Cellulose, die die Zugfestigkeit bewirkt. Die Cellulosefasern sind in einer Matrix aus Lignin (Holzstoff) und Hemi- cellulosen eingelagert. Dies erhöht die Druckfestigkeit. Lignin (ca. 30 % der Holz- trockenmasse) ist ein Makromolekül mit aromatischen Ringen, die durch aliphatische Seitenketten räumlich verknüpft sind und phenolische –OH-Gruppen und –O–CH 3 - Gruppen enthalten. Hemicellulosen , auch Holzpolyosen genannt, sind Makromoleküle, die überwiegend aus Pentosen aufgebaut sind. Sie bilden zusammen mit Harzstoffen (Terpene) und Wachsen die restlichen ca. 20 % des Holzes. CELLULOSE Cellobiose Glucose O CH 2 OH O O OH O CH 2 OH OH HO O OH HO HO CH 2 OH OH OH OH OH CH 2 OH OH OH OH OH H 2 O Abb. 151.2: Die Herstellung von Zellstoff SO 2 Mg(HSO 3 ) 2 MgO/SO 2 Na 2 CO 3 Thiole CaCO 3 Ca(OH) 2 Holz Zerkleinern Abpressen Verbrennen Cellulose Lignin Hemicellulosen Kochen Ablauge Holz Zerkleinern Abpressen Verbrennen Cellulose Lignin Hemicellulosen Kochen Ablauge NaOH Na 2 SO 4 Na 2 S Sulfit- Verfahren Sulfat- Verfahren Abb. 151.1: Die Bildung der Cellulose qx4p3e Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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