EL-MO II Moleküle, Schulbuch

147 9.7 EINgRIFFE IN DEN STOFFWEChSEL – HEILMITTEL uND GIFTSTOFFE Krankheiten und Seuchen waren einst gefürchtete Schicksalsschläge für die Menschen, denen sie bis in das letzte Jahrhundert hilflos aus - geliefert waren. Zwar wurden medizinische Methoden auf Basis von Heilkräutern und Therapieformen wie Aderlass entwickelt, ihre Wir - kung war aber beschränkt. Eine Erklärung der Ursache von Krankheiten gelang erstmals durch die Entwicklung des Mikroskops und die darauf folgende Entdeckung der Bakterien. Später wurden die Viren entdeckt, die durch das Elektronenmikroskop sichtbar gemacht wer - den konnten. Im 20. Jh. begann man durch die Entdeckungen der Biochemie den Stoffwechsel zu verstehen und konnte auch Krankheiten erklären, die durch vererbte Stoffwechselstörungen entstehen oder durch ungesunde Lebensweise wie Überernährung, Bewegungsarmut oder Rauchen. Mit wachsendem Verständnis von Ursache und Mechanismen von Erkrankungen wurde auch eine Erklärung der Heilpflan - zenwirkung, eine Isolierung der Wirkstoffe zur genaueren Dosierung und eine gezieltere Suche nach Heilmitteln möglich. Jeder Stoff, der eine biochemische Reaktion bewirkt, wird als Pharmakon bezeichnet. Viele Stoffe haben dabei eher negative Wirkung, sind also giftig. Die Heilmittelkunde ( Pharmakologie ) ist also immer mit der Kunde von Giftstoffen, der Toxikologie, verknüpft. Diese und wichtige grundlegende Begriffe aus dem Gebiet wie Dosis usw. wurden bereits im Kap. 6.3 des Buches „Elemente“ behandelt. Idealerwei - se soll ein Heilmittel die Erkrankung möglichst gezielt bekämpfen, sonst aber möglichst geringe Eingriffe in den Stoffwechsel bewirken, also möglichst nebenwirkungsfrei sein. Dies ist nicht der Fall, sodass der Einsatz von Heilmitteln immer eine Nutzen-Risikoabwägung ist. Antiinfektiöse Therapeutika Die Infektionskrankheiten haben vier Hauptverursacher – Bakterien , Viren , Parasiten und Pilze . Entsprechend unterschiedlich sind die Strategien, nach denen man vorgeht. Am besten sind bakterielle Infektionen bekämpfbar. Schon nach der Entdeckung der Bakterien wurden durch Hygiene und Sterilisationsmaßnahmen große Erfolge erzielt. Diese sind mit den Namen Louis Pasteur (französ. Arzt, 1822–1895) und Ignaz Semmelweiß (österr. Arzt, 1818– 1865) verbunden. Allein dadurch kam es zu einem dramatischen Rückgang der Kindersterblich - keit und zugleich einem entsprechenden Anstieg der Bevölkerungszahl. Der große Durchbruch gelang mit der Entdeckung der Sulfonamide (Abb. 147.3) und vor allem der Antibiotika . Das erste aus dieser Gruppe war das von Alexander Fleming (1881–1955) entdeckte Penicillin (Abb. 147.4), ein Naturstoff, mit dem eine Schimmelart die Konkurrenz von Bakterien in Schach hält. Heute kennt man eine Reihe hochwirksamer Antibiotika und bakterielle Infektionen haben ih - ren Schrecken verloren. Probleme treten allerdings durch Resistenzen auf. Manche Bakterien – einzelne Individuen durch Mutationen – haben die Fähigkeit, das Antibiotikum abzubauen und dadurch unwirksam zu machen. Ist nun eine Infektion mit Antibiotika behandelt, aber nicht ganz ausgeheilt, so überleben gerade diese Bakterien. Sie sind nun bei weiterer Ansteckung schlechter mit dem Antibiotikum behandelbar. Um das Züchten resistenter Stämme zu verhin - dern, muss man bei Antibiotikatherapie daher das Medikament eine Zeit lang weiter nehmen, auch wenn die Symptome bereits abgeklungen sind. Auch der vorbeugende Einsatz von Anti - biotika in der Tierzucht fördert die Zunahme resistenter Stämme. In Spitälern treten multire - sistente Bakterien auf, gegen die es nur mehr wenige wirksame Antibiotika gibt. Merke: Nicht der Mensch wird resistent gegen Antibiotika, sondern die Bakterien. Gegen Viren gibt es nur wenige wirksame Substanzen. Hier ist man vor allem auf das Immun - system des Menschen angewiesen, das die Viren unwirksam macht. Dieses kann durch Imp- fungen auf das entsprechende Virus sensibilisiert werden. Der Impfstoff besteht meist aus der Proteinhülle des Virus oder charakteristischen Teilen davon, kann also die Krankheit nicht aus - lösen. Das Immunsystem wird aber durch den Impfstoff trainiert, Antikörper zur Inaktivierung des Virus auf Vorrat zu produzieren. Manche Viren verändern sich (und ihre Proteinhülle) aber ziemlich häufig. Gegen den veränderten Stamm müsste dann eine neue Impfung verabreicht werden. Vor allem die häufigste virale Krankheit – der Schnupfen – ist daher durch Impfungen kaum beherrschbar. Die echte Grippe ( Influenza ) verändert sich weniger rasch, daher gibt es dagegen Impfungen. Diese müssen allerdings jährlich an neu auftretende Virusvarianten an - gepasst werden. Andere wieder, wie die früher als Seuche auftretenden Pocken sind durch die Impfungen praktisch ausgerottet. Auch HIV ist eine virale Infektion, die aber das Immunsystem selbst angreift. Gegen HIV wurde bis heute keine wirksame Impfung gefunden, auch die Pro - gnosen stehen schlecht, da HIV zu den Viren mit rascher Variantenbildung gehört. Zu den durch Parasiten ( Protozoen , Würmer ) verursachten Erkrankungen gehören die Billhar- ziose , die Amöbenruhr und die Malaria , die häufigste Tropenkrankheit und weitest verbreitete Krankheit der Welt (abgesehen von zivilisatorisch bedingten Alters- und Fehlernährungsfolgen). Gegen Malaria müssen Medikamente prophylaktisch genommen werden. Das bekannteste ist das Chinin , heute ergänzt durch Chloroquin. Gegen diese Medikamente treten heute ebenfalls zunehmend Resistenzen auf, sodass mit einer wieder stärker werdenden Malariaausbreitung gerechnet wird. Auch die Klimaerwärmung lässt dies befürchten. Die wirksamste Maßnahme ist aber bis heute die Bekämpfung der Moskitos, die dem Parasiten als Zwischenwirt dienen. Abb. 147.3: Sulfanilamid, der Grundkörper der Sulfonamide Abb. 147.4: Allg. Bauplan der Penicilline Abb. 147.1: Antibiotika Abb. 147.2: Medikamente gegen Herz- Kreislauf-Erkrankungen S C N C C C C N O H CH 3 CH 3 H COOH H O C R H O S O N H H N H H 9.7 EIngrIffe In Den StOffWechsel – HeIlMIttel unD gIftstOffe Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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