EL-MO II Moleküle, Schulbuch
145 Die Mutationen sind aber auch der Motor der Evolution. In einer Population sind ein Großteil der Individuen den Umweltbedingungen gut angepasst, ein geringerer Teil schlechter. Ändern sich die Umweltbedingungen, so kann es sein, dass die Anpas - sung der Mehrheit weniger gut ist, eine Minderheit aber besser angepasst ist. Die Minderheit wird nun zur Mehrheit, da sie bessere Überlebenschancen hat und sich rascher vermehren kann. Die ehemalige Mehrheit wird zur Minderheit. Die bessere Anpassung an neue Bedingungen kann infolge einer Mutation erfolgen, die vorher scheinbar belanglos war. Solche positiven Mutationen sind selten, haben aber die Differenzierung der Arten und die Anpassung des Lebens an die Umwelt bewirkt. Derartige Anpassungen sind wegen ihrer kurzen Generationsdauer am besten bei Mikroorganismen zu beobachten. Ein Bakterium, das ein Enzym zum Abbau eines Antibiotikums produzieren kann, hat in antibiotikafreier Umgebung gegen seinen „normalen“ Artgenossen keinen Auslesevorteil und ist eventuell in der Minderheit. In einer Umgebung, in der dieses Antibiotikum auftritt, ist es aber überlebensfähig. Die nicht resistenten Bakterien sterben ab, das resistente vermehrt sich. Die Bak - terien sind „resistent geworden“. Diese Aussage ist aber nur für die Gesamtpopula - tion zutreffend und nie für das Einzelindividuum. Die Mutation tritt also nicht erst im Augenblick der Umweltveränderung auf. Dies wäre zu unwahrscheinlich. Mit der Entdeckung der Mechanismen der Vererbung und der Mutationen war es bald Ziel der Forscher, die Veränderung der DNA nicht dem Zufall zu überlassen, sondern gezielt einzugreifen. Man hat Enzyme entdeckt (Restriktionsendonucleasen), mit de - nen man die DNA gezielt an definierter Stelle öffnen kann. Methoden der gezielten Veränderung der DNA nennt man gentechnische Methoden . Heute lassen sich zB mit Hilfe von Viren isolierte DNA-Teile anderer Organismen in die DNA von Mikroorganismen einbauen. Dies hat beispielsweise dazu geführt, dass menschliches Insulin für Diabetiker durch solche genmanipulierten Mikroorganismen preiswert und in ausreichenden Mengen produziert werden kann. In der pharma - zeutischen Forschung und Produktion sind gentechnische Methoden schon seit einigen Jahrzehnten in Verwendung. In der Landwirtschaft ist der Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen eben - falls bereits üblich. Man verändert beispielsweise ertragreiche Pflanzensorten, die aber sehr anfällig für bestimmte Schädlinge sind (Viren, Bakterien aber auch Schadinsek - ten), so, dass sie ein Gen einer anderen Pflanze erhalten, das zu einer Resistenz gegen den Schädling führt (zB durch Produktion eines für den Schädling giftigen Stoffes). Da die Resistenzgene aus einem nicht artverwandten Organismus stammen, kann eine solche Kombination nicht durch klassische Zucht erreicht werden. Auch eine gentech - nisch erzeugte Resistenz gegen Herbizide, die zur Unkrautfreihaltung dann auf dem Feld versprüht werden, ist möglich. Diese neuen Möglichkeiten der Forschung sind aber nicht unumstritten. Bei gen - technisch veränderten Organismen befürchtet man eine unkontrollierte Ausbreitung und Kreuzung mit natürlich vorkommenden Organismen. Gefährliche neue Varianten wären kaum wieder „einzufangen“, wie Kritiker befürchten. Bisher sind dies aber theoretische Überlegungen. In der Praxis sind noch keine nachweisbaren negativen Folgen aufgetreten. Zukunftsmusik ist noch die gezielte Veränderung der DNA des Menschen. Die „Re - paratur“ der DNA bei bestimmten Erbkrankheiten, bei denen der Fehler auf der DNA lokalisierbar ist, wäre so eventuell möglich. Experimente mit menschlichem Erbgut, das dann zur Befruchtung gebracht wird, sind allerdings in allen Ländern verboten. Nicht mit Gentechnik verwechselt werden sollte die künstliche Befruchtung (in-vitro- Fertilisation). Dabei werden genetisch nicht veränderte Ei- und Samenzellen verwen - det. Ebenso nicht zur Gentechnik gehört der „genetische Fingerabdruck“. Dies ist eine Methode zur Identifizierung von menschlichen Spuren, die sich der DNA bedient und zu einer exakten Zuordnung zu einem Menschen führt (mit Ausnahme eineiiger Zwil - linge, die ja identische DNA haben). ■ 145.1: Ein DNA-Abschnitt hat die Basensequenz CGTACG. Solche Sequenzen werden vereinbarungsgemäß in 5´–3´-Rich - tung angegeben und haben dieselbe Basen - folge wie die entsprechende m-RNA, für die der genetische Code definiert ist. Abgele - sen wird also vom Komplementärstrang. Welche Basenfolge hat dieser (ebenfalls in 5´–3´-Richtung)? Wie lautet die Basenfolge der m-RNA? Welches Dipeptid wurde co - diert? (Bei vereinbarter Richtung der RNA beginnt das Peptid mit einer freien Amino - gruppe.) ■ 145.2: Durch eine Mutation wurde statt CUC das Basentriplett CUU codiert (normaler RNA-Code). Welchen Einfluss hat dies? Was geschieht, wenn durch die Muta - tion CUC auf CCU verändert wird? ÜBungEn UV UV Ei- oder Samenzelle beliebige Zelle DNA mutierter Teil der DNA Vermehrung Absterben Fehlstelle strangspaltendes Enzym reparierter Doppelstrang G T G T G G G A T C C T A G G A T C C T A G C G A T C C T A G Abb. 145.1: Mutationsfolgen verschiedener Zellen Abb. 145.2: Die Reparatur mutierter DNA 9.6 Der EIWeISSstOffWechsel Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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