EL-MO I Elemente, Schulbuch

14 14 Neben den bisher besprochenen gibt es noch weitere Zerfallsarten. Bei Kernen mit Neutronenmangel (in der Nuklidkarte rot) kann β + -Zerfall oder Elektronen- einfang geschehen. Dabei wird aus einem Proton ein Neutron, entweder durch Einfang eines Hüllenelektrons in den Kern oder durch Emission eines Positrons, eines positiv geladenen Elektrons. Trifft ein Positron auf ein Elektron, so wan- deln sich beide in Energie in Form von γ -Quanten um. Nach außen hin wirkt der Vorgang also wie ein γ -Zerfall, allerdings verringert sich die Ordnungszahl um eins, die Massenzahl bleibt gleich. Da diese Radionuklide auf der Erde kaum vorkommen (Ausnahme 40 K), wurden sie erst später entdeckt. Sie spielen aber im Inneren der Sonne bei Zwischenpro- dukten der Kernverschmelzung eine wichtige Rolle. Zerfallsgeschwindigkeit, Halbwertszeit Die Zerfallsgeschwindigkeit radioaktiver Nuklide lässt sich nur statistisch erfas- sen, dh., wann ein einzelnes Atom zerfallen wird, lässt sich überhaupt nicht vo- raussagen. Als Maß für die Zerfallsgeschwindigkeit dient die Halbwertszeit τ (Tau = griech. Buchstabe). Sie ist die Zeit, nach der die Hälfte der Atome eines bestimmten Ra- dionuklides zerfallen ist. Nach zwei Halbwertszeiten ist noch 1/4, nach drei Halb- wertszeiten noch 1/8 der ursprünglichen Menge vorhanden (Abb. 14–2). Damit die Aktivität eines Radionuklids auf ein tausendstel des ursprünglichen Werts sinkt, müssen etwa 10 Halbwertszeiten vergehen. Die Halbwertszeiten verschiedener Radionuklide sind sehr unterschiedlich. ZB beträgt τ von 232 Th 1,4·10 10 Jahre, die von 217 Ra nur 1,6·10 –6 s. Je kürzer τ , desto höher ist die Aktivität, also die Anzahl der Zerfälle pro Sekunde, und daher die In- tensität der Strahlung, wenn man von der gleichen Menge Radionuklid ausgeht. Das 209 Bi, das Nuklid des natürlichen Bismut, hat eine Halbwertszeit von 1,9·10 19 Jahren. In einem kg Bismut ereignet sich nur ein Zerfall in 5 Minuten. Solche seltenen Zerfälle sind schwer zu entdecken, Bismut wurde daher bis 2003 als stabiles Element betrachtet. Natürliche Radioaktivität Die radioaktiven Nuklide zerfallen, dh., sie werden immer weniger. Dass in der Natur heute trotzdem noch radioaktive Nuklide existieren, hat zwei Gründe: 1) Einige radioaktive Nuklide haben eine so lange Halbwertszeit, dass sie seit der Entstehung der Elemente (in einer Supernovaexplosion, lange vor der Entste- hung der Erde) noch nicht zerfallen sind. Dazu zählen die Nuklide 232 Th, 238 U, 235 U, 40 K. Ihre Aktivität ist relativ gering. Trotzdem ist die von ihnen erzeugte Strah- lung nicht unbeträchtlich. 40 K, aber auch Spuren von Uran und Thorium, kommen zB im Granit vor und bewirken, dass im Waldviertel die Umweltradioaktivität weit höher ist als in anderen Gegenden Österreichs. 2) Die Radionuklide werden durch Kernprozesse immer wieder neu gebildet. Ra- dionuklide mit kürzerer Halbwertszeit können nur auf diese Weise in der Natur existieren. Dies ist zB bei den natürlichen Zerfallsreihen der Fall. 238 U zerfällt in 234 Th. Dieses ist nicht stabil und zerfällt weiter. Dadurch entsteht eine natürli- che Zerfallsreihe, die beim stabilen 206 Pb endet (Abb. 14–3). Solange noch 238 U vorhanden ist, werden diese Tochtersubstanzen, die Mitglieder der natürlichen Zerfallsreihe, ebenfalls nachweisbar sein. In der Natur gibt es drei solcher Zer- fallsreihen, ausgehend von 238 U, 235 U und 232 Th. Sie enden bei den verschiedenen stabilen Bleinukliden 206 Pb, 207 Pb und 208 Pb. Die Tochtersubstanzen sind im Uranbergbau die Verursacher der radioaktiven Belastungen der Abfallprodukte. Sie haben insgesamt eine weit höhere Aktivität als das Uran selbst. Anzahl nicht zerfallener Kerne Zeit Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der ursprünglichen Kerne zerfallen sind Halbwertszeit Abb. 014–2: Das Zerfallsgesetz Abb. 014–3: Die Zerfallsreihe des 238 U Neutronenzahl N = A – Z Protonenzahl Z 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 82 84 86 88 90 92 U Pb -Strahler -Strahler   Abb. 014–1: Henri Becquerel Antoine Henri Becquerel 1852 – 1908 Französischer Physiker, Nobelpreis für die Entdeckung der Radioaktivi- tät. Er ließ zufällig ein Uranpräparat auf einer verpackten Fotoplatte lie- gen, diese zeigte nach der Entwick- lung eine Schwärzung. Er postulierte darauf eine Strahlung, die nicht Licht ist. Er nannte sie Uranstrahlung. Die Einheit der Aktivität wird nach ihm Becquerel genannt. 1 Bq = 1 Zerfall/Sekunde PLUS Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

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