EL-MO I Elemente, Schulbuch

Text und Interpretation 124 124 Von den Salpetersiedern zur Ammoniaksynthese Salpetersieder ist die (historische) Bezeichnung eines Berufs, welcher mit der Einführung des Schwarzpulvers große militärische Bedeutung erlangte, weil die Salpetersieder den zur Herstellung des Pulvers notwendigen Salpeter sammelten und beschafften. Der Mauersalpeter wurde von den Mauern von Ställen und Wohnhäusern gewonnen, weil er sich dort aus dem vorhandenen Kalk, den nitrathaltigen Exkrementen und dem Urin der Tiere und Menschen bildete. Es gab sogar technische Vorrichtungen: In Hamburger Gaststätten wurde Urin aus einer im Obergeschoss befindlichen Toilette per Gefälle zu einer im Hinterhof stehenden Lehmwand laufen gelassen. Diese nahm den Urin auf, wobei die Feuchtigkeit verdunstete und Salpeter auskristallisierte. Der Salpeter wurde von den Lehmwänden geschabt und konnte an Munitions- oder Düngemittelfabriken verkauft werden. Auf Grund seines hohen Wasseranziehungsvermögens ist Mauersalpeter nicht direkt verwendbar, son- dern muss zu Kalisalpeter (Kaliumnitrat) konvertiert werden. Zur Kalisalpetergewinnung wurde der Mauersalpeter mit Pottasche versetzt und ausgewaschen, wobei Calciumcarbonat ausfiel und zurückblieb. Man erhielt eine Lösung mit Kalisalpeter. Dieser wurde durch Eindampfen bzw. Sieden als gesättigte Lösung erhalten. Da sich Kalisalpeter im Verhältnis zu vielen anderen Salzen in heißem Wasser deutlich besser löst als in kaltem, kristallisiert beim Abkühlen der gewünschte Salpeter zuerst aus. Salpetersieder war ein nicht sesshafter Beruf, er musste durchs Land von Dorf zu Dorf ziehen und mit Vollmacht der Landesherren die Anwesen der Bauern durchwühlen. Der Salpetersieder durfte die Böden von Stuben und Kammern aufreißen, Mauerstücke herausbrechen, Balken absägen und die salpeterhalti- gen Teile mitnehmen. Wegen ihrer Vorgehensweise wurden Salpetersieder als Plage angesehen. Ihrerseits jedoch waren sie vertraglich zur Ablieferung einer gewissen Mindestmenge von Salpeter an den Landes- herren verpflichtet. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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