Erziehung und Unterricht 2018/3+4
376 Sieberer-Nagler, Philosophieren mit Kindern in der Grundschule Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Ergebnisoffene Fragen Die elementarste Lernmethode ist das Stellen von Fragen. Es wird ein bestimmtes Thema oder ein spezielles Problem aus der Lebenswelt der Kinder angesprochen. Die Schülerin- nen und Schüler werden dadurch zum Neudenken und Mitüberlegen aufgefordert. Nicht selten werden die Antworten kaum etwas mit dem gemeinsam haben, was ein Erwachse- ner äußern würde. Allerdings ist dies kein Nachteil, da eben nicht eine bestimmte Antwort gegeben werden soll, sondern das Ergebnis offen ist. Daher darf die Frage am Ende des Lernvorganges auch durchaus unbeantwortet bleiben. Und mit der ersten Antwort sollte das Gespräch nicht enden, sondern sie sollte der Ausgangspunkt für weitere Überlegungen sein (vgl. Scheidt & Stollreiter 2015, S. 14 f 14-15). Geschichten vorlesen Ein weiterer geeigneter Einstieg stellt das Vorlesen einer Geschichte dar. Die Kinder folgen der Erzählung und sind aufmerksam. Sie finden auf diese Weise einen thematischen Zu- gang zum Thema. Auf dieser literarischen Grundlage kann dann im Verlauf der Stunde eine Interpretation der Geschichte oder die Einnahme der Sichtweise einer Figur vorgenommen werden. Die Schülerinnen und Schüler lernen eine neue Perspektive kennen und setzen sich mit fremden Gefühlen, Meinungen oder Ideen auseinander (vgl. Ehlers 2004, S. 115). Kinderzeichnungen Gut geeignet als Ausgangspunkt für das Philosophieren mit Kindern sind zudem deren Zeichnungen. Die Bilder der Lernenden veranschaulichen nicht nur ihren Lernstand und die Themen, die sie aktuell beschäftigen, sondern bieten auch einen Einblick in ihre individu- ellen Vorstellungen, Gedanken und Emotionen. Die Schülerinnen und Schüler können ihre eigenen Sichtweisen, Wissensstände und Erfahrungen visualisieren. Außerdem können die Zeichnungen den Lernenden helfen, ihre Fragen bildlich zu formulieren. Durch Nachfragen und eine Bezugnahme zu der Darstellung durch die Lehrkraft kann ein philosophisches Ge- spräch angestoßen werden, welches sich um ein persönliches Thema des Kindes dreht. Es kann zum Beispiel beschreiben, was es gemalt hat – und aus welchen Beweggründen (vgl. Kaiser 2004, S. 97-100). Gedankenexperimente Einen komplexeren Zugang stellt die Aufforderung zur Entwicklung von ungewöhnlichen Sichtweisen oder zur Durchführung von Gedanken-Experimente dar. Dazu werden im Ge- spräch mit den Schülerinnen und Schülern offene Fragen gestellt, wie zum Beispiel „Was wäre, wenn...“. Es wird mit Möglichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten gespielt, was die Phantasie der Lernenden anregen kann. Eingeengte Denkweisen erweitern sich, unvor- stellbare Entwicklungen werden realisiert, bisher Akzeptiertes in Frage gestellt (vgl. Schreier & Michalik 2006, S. 123). Paradoxe Rätsel Dieser Effekt lässt sich ebenso durch paradoxe Rätsel erzielen. Die Schülerinnen und Schü- ler werden angeregt, scheinbar nicht lösbare Widersprüche durch Denken zu überwinden. Dazu müssen die eigene Vorstellungskraft eingesetzt sowie festgefahrene Denkweisen überwunden werden. Die Logik wird durch gemeinsames, kreatives Erforschen und dem Suchen nach einer Antwort geschärft und entwickelt (vgl. Schreier & Michalik 2006, S. 127).
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