Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Sieberer-Nagler, Philosophieren mit Kindern in der Grundschule 373 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Allerdings stellt diese Wissbegierde der Mädchen und Buben für die Erwachsenen durch- aus eine Herausforderung dar. Dies gilt natürlich auch für die Lehrkräfte an den Grund- schulen. Für sie gilt es, das Philosophieren als bedeutsame und wertvolle Lernmethode im Unterricht einzuführen und zu fördern. 2. Philosophieren mit Kindern – Versuch einer Definition Beim Philosophieren mit Kindern handelt es sich um einen kreativ-kommunikativen Vor- gang mit dem Ziel eines gemeinsamen Fortschritts (vgl. Calvert 2011, S. 147): „Philosophie- ren mit Kindern ist ein kreativer Prozess, mit dem die Kinder gemeinsam sowohl logisch- argumentativ nach eindeutigen als auch mehrdeutigen Formulierungen fahnden. Die Kin- der bilden eine Art Forschungsgemeinschaft, [...] in die sich alle gleichberechtigt einbrin- gen.“ ( Calvert 2011, S. 147) Diese Lernmethode kennzeichnet somit eine Aktivität in einem didaktisch strukturierten Denk- und Lernraum: Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass sie selbst und gemein- sam über Fragen nachdenken können – und dass dieses Erforschen Freude bereitet und die eigenen und fremden Sichtweisen erweitert werden (vgl. Calvert 2011, S. 146). Anhand dieser Definitionen können die wesentlichen Merkmale des Philosophierens für Kinder abgeleitet werden (vgl. Siegmund & Wildermutz 2014, S. 7-10): • Es gibt keine festgelegten Ergebnisse. • Es zeigt sich in dynamischen und offenen Prozessen. • Es gründet auf das kindliche Wundern über die Welt und ihre Dinge sowie auf das menschliche Zweifeln. • Es knüpft an die bisherigen Erfahrungen, Erlebnissen, Gedanken und Emotionen der jungen Menschen an. 3. Curriculare und didaktische Überlegungen Das Philosophieren mit Kindern wird an den Schulen Österreichs verstärkt seit Beginn der 1980er-Jahre durchgeführt. Auf Betreiben des österreichischen Verbandes der Philosophie- lehrer wurden ab dem Jahr 1983 die ersten Schulstunden gegeben und Fortbildungen für die Lehrkräfte angeboten. Im Folgejahr wurde dieser Themenbereich an 20 Klassen mit insgesamt 600 Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Projekts an Volks- und Haupt- schulen in der Steiermark (u.a. an den Schulen in Hartmannsdorf und Sinabelkirchen) er- forscht. Die theoretische und didaktische Erforschung des Philosophierens mit Kindern wurde seitdem von der Österreichische Gesellschaft für Kinderphilosophie vorangetrieben, zum Beispiel durch Bemühungen einer stärkeren Berücksichtigung bei den Lehrplänen der Grundschule, der Durchführung von Workshops oder der Entwicklung neuer Lehrmethoden (vgl. Möller 2008, S. 67). Im aktuellen Lehrplan für die österreichische Volksschule lässt sich dieser Unterrichts- stoff aber nur indirekt ableiten; eine konkrete Beschreibung der Inhalte bzw. Ziele, eine Festlegung als Fach oder als fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip enthalten die minis- teriellen Vorgaben nicht. Eine Grundlage für das Philosophieren mit Kindern ergibt sich aus dem Grundsatz der Lebensbezogenheit: „Wo es für das Lernen sinnvoll erscheint, soll es mehr- bzw. vielsinnig angeregt werden. Von diesen Erfahrungen ausgehend, soll das Kind zum Denken und zur Abstraktion geführt werden. Lernprozesse des Erkennens und Verstehens, des Denkens und Abstrahierens

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