Erziehung und Unterricht 2018/3+4

358 Fast, Rechnen lernen im 21. Jahrhundert Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 tion unterscheiden, vereint der Begriff „Zahlenrechnen“ ( Benz 2005, S. 37; Padberg & Benz 2011, S. 87; Rathgeb-Schnierer 2006, S. 50; Schipper 2009a, S. 141; Selter 1999, S. 6; Selter 2000, S. 228) beide Vorgehensweisen. Zahlenrechnen wird als Sammelbegriff von Kopf- rechnen und halbschriftlichem Rechnen verwendet. Beim Zahlenrechnen wird mit (zerleg- ten) Zahlganzheiten ( Selter 1999, S. 6; Selter 2000, S. 228) nach nicht vorgegebenen Vorge- hensweisen operiert. Das Ergebnis entsteht in den jeweiligen Denk- bzw. Lösungsschritten „Zahl für Zahl“ ( Wittmann 1999, S. 89). Zahlenrechnen setzt ein solides Zahlverständnis, nämlich das Verstehen von Zahlen in ihrer gesamten Bedeutung, voraus und macht vor al- lem im Zusammenhang mit vorteilhaftem Rechnen vielfachen Gebrauch von Zahlvor- stellungen, Zahlbeziehungen und Rechengesetzen ( Krauthausen 2018, S. 88). Schriftliches Rechnen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zahlen in Ziffern zerlegt werden, die dann mit Hilfe von Grundaufgaben nach genau definierten Schritten, also al- gorithmisch, und gemäß festgelegter (normierter) Sprechweise und Notation verknüpft werden. Eindeutigere Begriffe, die nicht die Notation, sondern das regelgeleitete Vorgehen fokussieren, sind ‚algorithmische Rechenverfahren’ bzw. ‚algorithmisches Rechnen’. Schriftliches Rechnen wird auch als „Ziffernrechnen“ ( Rathgeb-Schnierer 2006, S. 50; Schipper 2009a, S. 142; Selter 1999, S. 6; Selter 2000, S. 228) bezeichnet, weil die Ziffern auf Basis der Systematik des Stellenwertsystems verknüpft werden. Plunkett (1987, S. 43) be- tont die Effizienz, weil durch das Zerlegen der Zahlen in separate Ziffern in den einzelnen Stellenwerten für beliebig große Zahlen anwendbar gerechnet werden kann. Es verleitet allerdings zur „kognitiven Passivität“ ( Plunkett 1987, S. 44), weil während des Ausführens, wie gewünscht, im Sinne eines entlastenden Vorgehens nicht über (Zahlvorstellungs-)Hin- tergründe nachgedacht werden muss und eine Reflexion anderer Lösungsmethoden irrele- vant wird. Noch entlastender ist das Rechnen mit elektronischen Rechnern, das Wittmann (1999), benannt als Rechnen mit dem Taschenrechner, als die „zeitgemäße Form des mechani- schen Rechnens“ ( Wittmann 1999, S. 89) bezeichnet. Empirisch kann festgehalten werden, dass Schülerinnen und Schüler beim Zahlenrech- nen oft dazu neigen, einen bereits erprobten und bekannten Lösungsweg beizubehalten, auch wenn die Zahleneigenschaften – vom mathematischen Standpunkt aus – eine andere Lösungsmethode nahelegen. Kinder tendieren insbesondere zu Lösungsmethoden, bei de- nen die Zahlen in die einzelnen Stellenwerte getrennt werden, wie z. B. Zehner und Einer extra. Zehner extra, Einer extra wird auch bei der Subtraktion mit Zehnerübergang prakti- ziert, unabhängig davon, ob diese im Unterricht von der Lehrperson thematisiert wurde. In diesem Zusammenhang tritt bei Subtraktionen mit Zehnerübergang der „Kleiner-minus- größer-Fehler“ ( Meseth & Selter 2007, S. 25) auf, indem z. B. bei 82 – 56 bei den Einern die absolute Differenz 4 gebildet wird und daher statt 26 das Ergebnis 34 auftritt (vgl. Fast 2017, S. 219 ff.; Schipper 2009a, S. 139). Nach Einführung der algorithmischen Rechenverfahren überwiegt das dadurch impli- zierte Verständnis des dekadischen Systems, indem das Rechnen in den Stellenwerten be- tont wird ( Csíkos 2012; Heirdsfield & Cooper 2002; Selter 2000), andere Lösungsmethoden werden kaum mehr praktiziert. Außerdem bevorzugen Schülerinnen und Schüler die schriftlichen Algorithmen als Lösungsmethode – unabhängig davon, ob diese zum Lösen einer Aufgabe adäquat ist ( Csíkos 2012; Heirdsfield & Cooper 2002; Selter 2000). Hingegen praktizieren Schülerinnen und Schüler, die sich beim Lösen von Aufgaben auf erkannte Aufgabenmerkmale und Zahlbeziehungen beziehen, eher Lösungsmethoden, welche dem Zahlenrechnen bzw. flexiblem Rechnen zuzuordnen sind ( Fast 2017, S. 217; Rathgeb-Schnierer 2006).

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