Erziehung und Unterricht 2018/3+4
356 Fast, Rechnen lernen im 21. Jahrhundert Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Zahlen vor. Sie differenzieren zwischen einem Konzept, das eher sequentiell, bezogen auf den Ordinalzahlaspekt, orientiert ist und einem Konzept, das eher kardinal geprägt ist. So wird bei der ordinal orientierten Sichtweise ‚zehn, zwanzig, dreißig …‘ in Zehnerschritten und weiter die Einer, z. B. mit ‚einunddreißig, zweiundreißig, …‘ gezählt. Bei der kardinal orientierten Sichtweise werden z. B. drei Zehner und die dementsprechende Anzahl von Einern genannt. Das Verständnis von mehrstelligen Zahlen ist erst dann entwickelt, wenn flexibel zwischen diesen Interpretationen gewechselt werden kann. Zahlwörter (‚dreiund- fünfzig‘) und Zifferndarstellungen (‚53‘) bedeuten gleichzeitig ‚fünfzig plus drei‘ und ‚fünf Zehner und drei Einer‘ (siehe dazu auch Schipper 2009a, S. 119 ff.). Eine einzelne Zahl kann auch als eine Beziehung zwischen Zahlen gedeutet werden, wenn die Zahl als Zusammensetzungen aus anderen Zahlen verstanden wird (Teile-Gan- zes-Beziehung). Die Zahl kann diskret oder strukturbezogen zerlegt und wieder zusam- mengefügt werden. Zahlverständnis bedeutet daher unter anderem, eine Zahl als Gesam- tes von Einzelnen zu sehen, um im größeren Zahlenraum in die jeweiligen Stellenwerte (Standardzerlegung), aber auch in weitere Nicht-Standard-Zerlegungen zerlegen bzw. zu- sammensetzen zu können. Nicht-Standard-Zerlegungen ergeben sich besonders bei der Division (unter Anwendung des Distributivgesetzes: 344 : 8 = 320 : 8 + 24 : 8), aber auch um Rechenvorteile beim Addieren und Subtrahieren anwenden zu können. ( Gerster & Schultz 2004, S. 82 ff.; Schäfer 2005, S. 185). Die Fähigkeit, Zahlen geschickt zu zerlegen, insbesondere in Zehner und Einer, ist eine entscheidende Voraussetzung, damit Kinder passende Lösungsmethoden beim Rechnen mit mehrstelligen Zahlen praktizieren können. Besonders wichtig ist das Verständnis der Beziehung zwischen einer gebündelten dekadischen Einheit zu Einzelnen bzw. den niedri- geren dekadischen Einheiten. Der gebündelte Zehner (z. B. in Form einer Zehnerstange) soll nicht nur als Zehner gesehen, sondern auch in 10 Einer zerlegt bzw. reversibel ver- knüpft werden. Auf Basis dieser Einsicht sind Bündelungen bzw. Entbündelungen bei Zeh- nerübergängen erst möglich. Analoges ergibt sich bei Multiplikation und Division. Gerster und Schultz (2004, S. 108) beschreiben, dass manche Kinder die Zahl als an- einandergereihte Ziffern sehen, wobei die Ziffern in den einzelnen Stellen(-werten) ge- trennte Kategorien sind, welche nebeneinanderstehen und nichts miteinander zu tun ha- ben. Diese Kinder können sehr wohl zwischen den Stellen(-werten), wie z. B. Zehner und Einer, differenzieren und sie auch korrekt benennen, sehen jedoch keine Beziehung zwi- schen den Zehnern und Einern. Jede Ziffer wird als eigenständige Zahl mit Einerstellenwert aufgefasst. Diesen Kindern gelingt es z. B. nicht, zehn Einer als einen Zehner bzw. einen Zehner als zehn Einer zu denken. Dieses Konzept, bei dem mehrstellige Zahlen als ‚verket- tete‘ einstellige Strukturen in den einzelnen Stellenwerten aufgefasst werden, wird dann sichtbar, wenn in Rechnungen entbündelt bzw. gebündelt werden sollte . Fast (2017) kann arithmetische Entwicklungsverläufe von der zweiten bis zur vierten Schulstufe identifizie- ren, bei denen nie Stellenwerte, wie z. B. Hunderter bzw. Zehner, beim Rechnen entbündelt wurden. Beziehungen zwischen Zahlen bzw. Aufgaben Um mit mehrstelligen Zahlen rechnen zu können, ist es notwendig, Zahlen in Beziehungen zueinander, aber auch Aufgaben miteinander zu vergleichen. Das Erkennen von Beziehungen zwischen Zahlen ist notwendig, um die einzelnen Zah- len geschickt neu zusammensetzen zu können. Das umfasst z. B. Nachbarschaftsbeziehun- gen und Größer/Kleiner-Beziehungen ( Gerster & Schultz 2004, S. 101), Beziehungen zu Stu- fenzahlen (10, 100, 1000 …) oder Vielfachen von Stufenzahlen (20, 30 … 700, 800). Nur
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=