Erziehung und Unterricht 2018/3+4
346 Holzer/Mick/Pretterhofer, Geometrische Kompetenzen im Schuleingangsbereich Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Im Rahmen der Einzelförderung war es dann auch möglich, den Wortschatz systematisch zu erweitern. Die Wahrnehmungsaufträge wurden schrittweise von den Kindern selbst laut gesprochen; schließlich nur mehr gedacht. So konnten sich Kind 5 und Kind 6 nach der Förderarbeit ohne Hilfestellung acht bzw. sieben Quader einprägen. Diese Steigerung des Vorstellungsvermögens zeigte sich auch darin, dass beide Kinder bei Abschluss der Arbeit auch einfache Rotationsaufgaben mit ihren inneren Bildern durchführen konnten, ohne dass ein diesbezügliches Training stattgefunden hatte. Am Beginn der Intervention war das nicht möglich. Zusammenfassung Die Dauer der Betrachtung eines Bauwerkes scheint keine direkte Vorhersagekraft für die Merkleistung zu sein. Dass zwei Kinder die Betrachtungsdauer nach dem ersten Scheitern erhöhten, lässt eine bewusst erhöhte Anstrengung bzw. Änderung der Strategie vermuten; allerdings ohne Wirkung. Entscheidend ist demnach eine aktive mentale Tätigkeit während des Betrachtens. Dazu brauchen diese Kinder offensichtlich eine ganz konkrete Anleitung. Aktiv entdeckendes Lernen würde in dieser Situation sehr schnell zu Frustration und Re- signation führen. Nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergrund ist eine sorgfältige Ab- klärung der sprachlichen Voraussetzungen unbedingt notwendig. Sind diese gegeben, können die Wahrnehmungsaufträge schrittweise von den Kindern selbst übernommen und in weiterer Folge die Strategie auch selbstständig und eigenverantwortlich benutzt wer- den. Es ist anzunehmen, dass sich auf Grund der veränderten Lebensbedingungen in einer digitalisierten Welt bei einer wachsenden Gruppe von Kindern das räumliche Wahrnehmen des dreidimensionalen Raumes sowie das innere Vorstellungsvermögen verändern. Damit würde die Schulung geometrischer Kompetenzen vom Lückenfüller zu einer unerlässlichen Voraussetzung für eine grundlegende Lernfähigkeit werden. ANMERKUNGEN 1 Download Screening auf der Homepage des Regionalen Fachdidaktikzentrums für Mathematik und Geometrie https://mug.didaktik-graz.at/ 2 Download Aufgabenketten auf der Homepage des Regionalen Fachdidaktikzentrums für Mathematik und Geo- metrie https://mug.didaktik-graz.at/ 3 Mehr dazu bei Holzer & Mick (2015). 4 Wir danken den Studierenden E. M. Dampfhofer, K. Grasser, K. Kapeundl, V. Maier und J. Pretterhofer, die im Rah- men ihrer Bakkalaureats-Arbeiten an der KPH Graz wesentliche Beiträge zu diesem Thema geleistet haben. LITERATUR Franke, M. & Reinhold, S. (2016) (3.Aufl.): Didaktik der Geometrie. Springer, Berlin, Heidelberg. Holzer, N. & Mick, S. (2015): Geometrie als Grundlage für Lesen, Schreiben und Rechnen. In: L. Hollerer & E. Amtmann (Hrsg.). Schultütenkinder reloaded. Entwicklungspsychologische und didaktische As- pekte (S. 223-240). Leykam, Graz Maier, P. H. (1999): Räumliches Vorstellungsvermögen. Ein theoretischer Abriss des Phänomens räum- liches Vorstellungsvermögen. Mit didaktischen Hinweisen für den Unterricht. Auer, Donauwörth. Mayer, V. (2013): Geometrie bringt‘s. Lernangebote zur individuellen Förderung des räumlichen Den- kens im Schuleingangsbereich. (Nicht veröffentlichte Bakkalaureats-Arbeit). Kirchliche Pädagogi- sche Hochschule Graz-Seckau.
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