Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Graß, Raum und Zahl – Zusammenhänge zwischen Raumvorstellung und Arithmetik 335 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 ometrische Aufgaben (z.B. „zeichne eine Figur mit 2 Symmetrieachsen“) zur Erfassung der Mathematikleistung herangezogen wurden. Ob dieser Tatsache kann die Studie von Grü- ßing nur beschränkt für eine Aussage zum Einfluss der Raumvorstellung auf arithmetische Kompetenzen herangezogen werden. Neben Grüßing wird jedoch in zahlreichen weiteren fachdidaktischen Studien über enge Zusammenhänge zwischen Raumvorstellung und Arithmetik berichtet (vgl. Graß 2017; Grassmann et al. 2010, S. 98f; Lorenz 2006, S. 10f; Krauthausen & Scherer 2007, S. 60f; Jansen 2007; Merschmeyer-Brüwer 2011, S. 5; Winkler 2006, S. 5.). Argumentiert wird hier, dass erst die Vorstellung von Zahlen, deren Beziehungen sowie mathematischen Operationen „ech- tes“ Verstehen sowie flexibles Rechnen ermöglichen ( Grassmann et al. 2010, S. 98f; Lorenz 2006, S. 10f). Radatz und Rickmeyer (1991) sehen deshalb die Förderung der Raumvorstel- lung als „eines der obersten Ziele des Geometrieunterrichts“ ( Radatz & Rickmeyer 1991, S. 17) an. Positive Effekte eines Raumvorstellungstrainings auf die Leistungen realitätsnaher Ma- thematikaufgaben von Grundschulkindern konnten Burte und Kollegen (2017) nachweisen. Hinsichtlich zahlenverarbeitender Kompetenzen sei noch die Studie von Dackermann et al. (2013) erwähnt. Hier zeigte sich, dass Kinder der 1. Schulstufe nach einem spezifischen Zah- lenstrahltraining bessere arithmetische Leistungen erzielten. Die Erstklässlerinnen und Erstklässler mussten auf einem, am Boden liegendem Zahlenstrahl, auf und ab wandern und dabei ihnen vorgegebene Zahlen möglichst exakt „betreten“. Zusammenfassung und Fazit Es erscheint aufgrund der vielfältigen, ständig replizierten Befunde der Kognitionspsycho- logie und der Neuropsychologie ( Ward 2006) der letzten 25 Jahre festzustehen, dass Zahlen in Form einer räumlichen Vorstellung gedacht werden ( Lindemann & Fischer 2015; Rogge- man et al. 2015; van Dijck et al. 2015; Fias & Fisher 2005). Zusammenfassend und verkürzend lassen sich die internationalen Forschungsergebnisse hierzu in Anlehnung an Lorenz (2017) folgend auf den Punkt bringen: • Bereits im Vorschulalter werden Zahlen räumlich, in Form eines linearen Zahlenstrahls repräsentiert ( Patro et al . 2015), • dies gilt in fortgeschrittener Weise auch für Grundschulkinder ( Lyons et al. 2015; Dietrich et al. 2015), • diese Vorstellung von Zahlen ist trainierbar und führt in höheren Schulstufen zu besserer Rechenleistung ( Siegler & Ramani 2008; Fischer et al. 2011, 2013; Fischer & Moeller 2014; Moeller et al. 2015; Zhu et al. 2017; vgl. auch Obersteiner et al . 2013; Kucian et al. 2011). Neben diesem domänenspezifischen Zusammenhang zwischen Zahl und Raum besteht mittlerweile gesicherte Evidenz für überlappende Gehirnareale, die sowohl für die numeri- sche Verarbeitung, als auch für räumliche Funktionen zuständig sind (vgl. Butterworth 1999; Walsh 2003; Hubbard 2005; Arsalidou & Taylor 2011). Ein weiterer domänenübergreifender Zusammenhang zwischen Raumvorstellung und Arithmetik ergibt sich über den visuell-räumlichen Arbeitsspeicher (vgl. Klingberg 2012; Meyer et al. 2010; Alloway & Passolunghi 2011). Dabei wird ein solides visuell-räumliches Ar- beitsgedächtnis mit besseren Leistungen beim (Kopf-)Rechnen wie auch mit einem solider ausgeprägten mentalen Zahlenstrahl und generell mit höheren Mathematikleistungen in Verbindung gebracht. Aufgrund dieser Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Raumvorstellung und Re- chenleistungen gibt es bereits Intentionen, die Kompetenzen in den MINT-Fächern (Ma-

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