Erziehung und Unterricht 2018/3+4

332 Graß, Raum und Zahl – Zusammenhänge zwischen Raumvorstellung und Arithmetik Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 mischen Skalierung des Zahlenstrahls aus. Dies bedeutet, dass trotz gleichbleibenden nu- merischen Abstands der subjektive Abstand zwischen zwei Zahlen mit zunehmender Grö- ße kleiner wird. So erscheint uns etwa die „Entfernung“ zwischen 3 und 8 wesentlich grö- ßer als zwischen 133 und 138 obwohl es sich um die gleiche numerische Differenz handelt. Dies entspricht dem Weber-Fechner’schen Gesetz für unsere subjektive Wahrnehmung. Der zweite Reaktionszeiteffekt, der die Metapher des mentalen Zahlenstrahls stützt, ist der SNARC-Effekt. Die zugrundeliegende Aufgabenstellung ist eine Paritätsentscheidung. Die numerische Größe der Zahl ist dabei völlig irrelevant. Im ersten Teil des Experiments antwortet die linke Hand auf ungerade Zahlen, die rechte auf gerade Zahlen, in der zwei- ten Hälfte umgekehrt. Das typische Antwortmuster zeigt, dass numerisch kleine Zahlen schneller mit der linken Hand und numerisch große Zahlen schneller mit der rechten Hand beantwortet werden ( Dehaene et al. 1993; Gevers et al. 2005; Nuerk et al. 2005b). Erklärt wird dieses Verhalten, indem kleine Zahlen am mentalen Zahlenstrahl links angeordnet sind und große Zahlen rechts. Die räumlich nähere Hand kann hier offensichtlich schneller reagieren. Solche räumlich-numerischen Assoziationen über den mentalen Zahlenstrahl wurden bisher hauptsächlich für einfache Zahlenkategorisierungsaufgaben nachgewiesen. Empiri- sche Evidenz für derartige Assoziationen bei komplexeren Aufgaben, etwa beim Kopfrech- nen, ist hingegen spärlich. Hartmann et al. (2016) fanden bei einem Zählparadigma, wo Erwachsene für 45 s in 3er-Schritten vorwärts und rückwärts zählen mussten und dabei auf einen Bildschirm blickten, dass sie die Augen beim Vorwärtszählen nach rechts bewegten. Damit konnte die Bewegung längs des mentalen Zahlenstrahls bei Additionsaufgaben nachgewiesen werden. Beim Rückwärtszählen ergab sich allerdings kein einheitliches Bild. In einer weiteren Studie mit Erwachsenen, wo einfache arithmetische Aufgaben zu lösen waren (z.B. 2 + 4; 7 – 3), konnte gezeigt werden, dass es zu rechtsseitigen Augenbewegun- gen bei Additionen und zu linksseitigen Augenbewegungen bei Subtraktionen kommt. Dies wurde jedoch ausschließlich vom Operator und nicht vom Prozess hervorgerufen ( Hart- mann et al. 2015). Ein zusätzlicher Effekt, der für den mentalen Zahlenstrahl spricht, ist der sogenannte „operational momentum effect“. Bei Kindern wie bei Erwachsenen wurde nachgewiesen, dass das Ergebnis bei Additionen am Zahlenstrahl (ohne Skalierung) überschätzt und bei Subtraktionen unterschätzt wird, was eine Verschiebung der Aufmerksamkeit nach rechts bei Additionen und nach links bei Subtraktionen suggeriert ( Knops et al. 2013; Knops et al. 2014; Pinhas und Fischer 2008). Über eine räumliche Aufmerksamkeitsverschiebung wäh- rend des Lösens einfacher Additions- und Subtraktionsaufgaben (z.B. 3 + 5) bei Erwachse- nen berichten auch Masson und Pesenti (2014). Fischer und Kollegen (2016) zeigten bei Viertklassenkindern einen Zusammenhang zwischen der Präsentation einer Mengenver- gleichsaufgabe und der Antwortkategorie. Die stärksten Korrelationen ergaben sich, wenn die Aufgabe am Zahlenstrahl präsentiert wurde und die Kinder durch eine Körperbewe- gung, etwa nach rechts oder links springen, antworteten. Ähnliche Resultate zeigten auch Vorschulkinder bei Zählparadigmen, wo die Zählrichtung ebenfalls entsprechende Bewe- gungsneigungen induzierte ( Patro et al. 2015). Die Rolle des Arbeitsgedächtnisses Ein weiterer Zusammenhang zwischen Raumvorstellung und Arithmetik ergibt sich über das Arbeitsgedächtnis . Prinzipiell sind intakte Arbeitsgedächtnisleistungen für das Lösen komplexer Rechnungen wichtig (z.B. Tronsky 2005). Das Arbeitsgedächtnis ist für die vo-

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