Erziehung und Unterricht 2018/3+4
318 Varelija-Gerber/ Überlegungen zum Entdeckenden Lernen im Mathematikunterricht der Primarstufe Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 mathematischen Inhalte als auch die dafür erforderlichen Methoden orientiert die Lehr- person an den individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. David Kol- losche schärft die Bedingungen noch weiter: „Zur Entdeckung mathematischer Erkennt- nisse in bereitgestellten Lernsituationen bedarf der Lernende daher funktionaler Vorstel- lungen darüber, was einen legitimen mathematischen Diskurs ausmacht. Nur dann ist er in der Lage, Entdeckungen zu machen, die im Mathematikunterricht wertgeschätzt werden und nicht an der fachlichen Ausrichtung des Unterrichts vorbeigehen.” ( Kollosche 2017, S. 228f) Lehrerinnen und Lehrer stehen demnach vor der Herausforderung, Gelegenheiten zu stellen in Form der Auswahl geeigneter mathematischer Inhalte und Methoden. Im Gelin- gen des Entdeckungslernens kommt der Lenkung des Entdeckungsprozesses durch Mate- rial und Lehrerinnen/Lehrer zentrale Bedeutung zu (vgl. Kollosche 2017, S. 227). Diese Aus- wahl stellt die Grundvoraussetzung dafür, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler auch dazu bereit sind, sich in das selbstständige Arbeiten zu begeben und ihr vorhandenes Wissen durch aktive Auseinandersetzung zu üben, auszuprobieren, zu reflektieren und ge- gebenenfalls neu zu organisieren. „In den Fokus rückt dann die Frage, wie Entdeckungs- aktivitäten didaktisch gestaltet werden können, um einer möglichst breiten Auswahl von Schülern, insbesondere auch solchen mit noch schwach ausgeprägten metakognitiven Kompetenzen, Einsichten und Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.“ ( Kollosche 2017, S. 226) Entdeckendes Lernen im Mathematikunterricht bedeutet also, dass das Lernen und Ver- stehen der Schülerinnen und Schüler keinesfalls dem Zufall überlassen wird und diese durch „Herumirren” in mathematischen Inhalten und Methoden möglicherweise zu Ideen gelangen werden. Unterricht im Sinne des Entdeckenden Lernens braucht ganz im Gegen- teil gute Planung und unterliegt der Bedingung, üben zu dürfen und dabei Erfahrungen zu sammeln. Die Planung des Unterrichts muss daran ansetzen, wie „[…] dieses unbewusste Kombinieren, Vergleichen, Sortieren und Bewerten von Gedächtniselementen, das Gene- rieren von bildhaften und evidenten Vorstellungen aus dem vorhandenen Material, das Zu- sammenfügen von Einzelheiten zu neuen Ganzheiten begünstigt werden kann“ ( Winter 1989, S. 174). Des Weiteren liegt es an der Lehrperson die Kommunikation, Diskussion sowie Kooperation zwischen den Schülerinnen und Schülern anzuregen und aufrecht zu erhalten, sodass sie sich aktiv mit der Mathematik auseinandersetzen (vgl. Wittmann 2000, S. 209). Die Aufgabe der Lehrperson ist nicht nur die äußere Steuerung der Lernaktivitäten, son- dern umfasst auch inhaltliche Beiträge. „Die Auseinandersetzung mit der Sache ist […] ei- ne unausweichliche Bedingung, um den Unterricht begründet zu entwickeln. Die fachliche Komponente ist in allen Aufgabenstellungen wesentlich und zu durchschauen. Die Ge- genstandsorientierung ist in dieser Phase elementar, da nur so Verstehensprozesse von der Sache aus für die Schüler/innen bedacht werden können. […] Diese Gegenstandorien- tierung führt […] zur Analyse der entsprechenden mathematischen inhaltlichen und all- gemeinen Kompetenzen, […].” ( Varelija-Gerber & Varelija 2016, S. 57) Dies betrifft zum ei- nen fachliche Inhalte, die von den Schülerinnen und Schülern nicht entdeckt werden kön- nen. Zum anderen beinhaltet es beispielsweise Kenntnisse über Bezeichnungen, Sprech- und Schreibweisen, Formulierungen und eindeutige Zusammenfassungen von Ergebnis- sen. Das Hauptaugenmerk des Aufgabenspektrums der Lehrperson liegt darin, dass sie ne- ben diesen unumgehbaren Vorgaben gute Aufgaben stellt, den Kindern die Zeit gibt, ei- gene Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge zu erkennen und erst dann eingreift, wenn eigene Lösungen oder Lösungsansätze gefunden wurden. Außerdem ist es besonders wichtig, dass die Beiträge der Kinder für weitere Impulse und Aufgaben genutzt werden (vgl. Wittmann 2000, S. 15f).
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