Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Wirth, AktivistInnen für Reformen, Umweltschutz und Frieden 245 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 die Atomkraft zur Energiegewinnung während der ÖVP-Alleinregierung Klaus. In den 1970er Jahren gewann die Atomenergie nach der ersten Erdölkrise 1973 – einem gravieren- den Preisanstieg des Erdöls in Folge einer politisch motivierten Förderdrosselung – weiter an Bedeutung, wodurch bis 1985 drei AKWs in Zwentendorf, Sankt Pantaleon und Sankt Andrä verwirklicht werden sollten. Der Baubeginn für das AKW in Zwentendorf erfolgte 1971. Wie in der Planungsphase hielt sich der Widerstand zunächst in Grenzen. Die Gefahren der Atomenergie wurden nur von wenigen thematisiert. Als das Baugelände für das zweite vorgesehene Kraftwerk in Sankt Pantaleon erschlossen werden sollte, nahm der Protest bereits deutlich zu und ließ die Regierung von einer Realisierung des Projekts Abstand nehmen. Seinen Höhepunkt er- reichte der Widerstand jedoch erst im Vorfeld der Inbetriebnahme des AKWs in Zwenten- dorf, als offensichtlich wurde, dass die Lagerung des radioaktiven Abfalls nicht geklärt war, die Brennstäbe bereits auf dem Weg waren und eine Informationskampagne der Bundes- regierung für eine zusätzliche Sensibilisierung sorgte. Nachdem die ersten Phasen des Protests bis 1976 noch von regionalen Gruppen, von konservativen bis rechten Kreisen und traditionellen Natur- und Umweltschutzgruppen ge- tragen worden war, begann sich nun auch die Zusammensetzung der Bewegung zu verän- dern. Neben BürgerInnen aus Wien und den Landeshauptstädten schlossen sich nun auch linke Gruppen, Unorganisierte und später auch Teile der sozialistischen Jugend dem Pro- test an. Die beiden größten Organisationen, die sich bildeten, waren die „Initiative Öster- reichischer Atomkraftsgegner“ (IÖAG) und die „ARGE Nein zu Zwentendorf“. Damit entstand eine breite Bewegung, die mit Demonstrationen und Protestkund- gebungen, Straßenkunst, „Anti-Atom-Musik”, einem Hungerstreik von Vorarlberger Müttern und einem Marsch auf das Kraftwerk die Inbetriebnahme des AKWs verhindern wollte und schließlich die erste Volksabstimmung in der Geschichte der Republik erzwingen konnte. Bei dieser votierten im November 1978 50,97 Prozent der ÖsterreicherInnen gegen das AKW, nachdem sich zuletzt nur mehr Teile der SPÖ und des ÖGB für dieses ausgesprochen hatten. 2 Österreich sollte damit – wie es im Atomsperrgesetz 1978 festgeschrieben wurde – frei von (selbst erzeugter) Atomenergie bleiben, wenn zunächst auch die Gewerkschaften und später Bundeskanzler Fred Sinowatz als Nachfolger von Bruno Kreisky (1983–1986, SPÖ) versuchten, das Gesetz durch ein Volksbegehren bzw. durch eine Volksabstimmung zu Fall zu bringen. Die Umweltbewegung hatte einen wichtigen Erfolg erzielt und Bundeskanzler Kreisky, der sich bei seiner Reformpolitik bisher auf eine breite WählerInnenkoalition stüt- zen konnte, eine schwere Niederlage hinnehmen müssen. Er, der bisher ein untrügliches Gespür für die Themen der Zeit hatte, musste erkennen, dass das Agenda Setting auf die Umweltbewegung übergegangen war, die ihre Kraft einige Jahre später erneut mit der Verhinderung eines Donaukraftwerks bei Hainburg unter Beweis stellen konnte. Wie beim AKW in Zwentendorf verlief der Protest dabei in mehreren Phasen. Nachdem die konkrete Planung für das Kraftwerk ab 1981 begann, formierten sich auch hier zunächst lokale NaturschützerInnen und bildeten gemeinsam mit UmweltwissenschafterInnen die „Bürgerinitiative Hainburg“, um mit Unterschriftenaktionen, Informationsveranstaltungen und Vorsprachen bei einzelnen Politikern den Kraftwerksbau zu verhindern. Mit dem Start der Kampagne „Rettet die Auen“ des World Wide Life Fund und der Bildung der „Aktionsge- meinschaft gegen das Kraftwerk Hainburg“ setzte 1983 mit Unterstützung der „Kronen Zei- tung“ eine intensivere öffentliche Diskussion ein. Im Mai 1984 wurde bei einer „Konferenz der Tiere“, bei der sich eine Reihe prominenter Persönlichkeiten (Günther Nenning, Peter Turrini, Freda Meissner-Blau u. a.) als Tiere verkleideten, schließlich das Konrad-Lorenz-

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