Erziehung und Unterricht 2018/3+4
244 Wirth, AktivistInnen für Reformen, Umweltschutz und Frieden Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 im Geschlechterverhältnis zu sorgen, wurde ebenso zu einem zentralen Ziel, wie die ge- sellschaftliche Rolle der Frau aufzubrechen, die sich auf Mutterschaft und Familienaufga- ben beschränkte. Einen ersten unmittelbaren Erfolg konnte die neue Frauenbewegung erreichen, als Jus- tizminister Christian Broda die Indikationenlösung durch eine Fristenregelung ersetzte und diese mit dem neuen Strafgesetzbuch 1975 eingeführt wurde. Die religiös motivierte „Ak- tion Leben” startete zwar ein im November 1975 durchgeführtes Volksbegehren, um dies rückgängig zu machen. Trotzdem dieses mit knapp 900.000 Unterschriften zum bis dahin erfolgreichsten Volksbegehren der Zweiten Republik wurde, blieb die Fristenregelung je- doch bestehen. Mit der bereits 1970 in ähnlicher Form auf dem SPÖ-Programm stehenden Familien- rechtsreform wurde zunächst die rechtliche Stellung des unehelichen Kindes verbessert und 1975 der Partnerschaftsgedanke im Eherecht verankert. Der Mann verlor dadurch seine Stellung als „Oberhaupt der Familie“ und damit in Verbindung stehende Rechte – wie das, seiner Frau eine Berufstätigkeit verbieten oder den Familiensitz bestimmen zu können. Später wurden Vater und Mutter auch die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber den Kindern eingeräumt, nachdem die Mutter zuvor nicht einmal einen Reisepass für ihre Kin- der beantragen konnte. Wie die Jugend wurden die Frauen damit zu einer wichtigen Zielgruppe der sozialdemo- kratischen Reformpolitik. Dies zeigte sich auch darin, dass 1979 die Frauenpolitik mit der Etablierung von zwei Staatsekretariaten für Frauenfragen (für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt und für Angelegenheiten der berufstätigen Frauen im Sozialministe- rium) als eigenes von der Familienpolitik getrenntes Politikfeld institutionalisiert wurde. Ein weiteres wichtiges Signal in Richtung der neuen Frauenbewegung war dabei die Be- setzung des Staatssekretariats für allgemeine Frauenfragen mit Johanna Dohnal, die von Anfang an die Stimme einer neuen Frauenbewegung war, der es nicht mehr primär um Fragen der rechtlichen Gleichstellung, sondern um eine reale Umverteilung von Lebens- chancen ging. Die Umweltbewegung Die österreichische Umweltbewegung nahm ihren Anfang zu Beginn der 1970er Jahre in lo- kalen Bürgerinitiativen, nachdem es bereits Mitte der 1960er Jahre zum Protest der Vorarl- bergerInnen gegen ein geplantes kalorisches Kraftwerk im schweizerischen Rüthi gekom- men war. In Graz entstand eine zuerst von den betroffenen AnrainerInnen, später von brei- ten Teilen der Stadtbevölkerung unterstützte Bürgerinitiative, die gegen eine geplante Trasse der Phyrnautobahn im Westen der Stadt protestierte. In Salzburg bildete sich aus- gehend von einem Artikel in den „Salzburger Nachrichten“ eine Bürgerbewegung, die ge- gen die Errichtung von Universitätsgebäuden und eines Landessportzentrums in Freisaal protestierte. In Wien mobilisierten die AnrainerInnen des Sternwarteparks gegen dessen Abholzung für einen Neubau des Zoologischen Instituts und konnten nicht nur eine erste Volksbefragung mit mehr als 400.000 TeilnehmerInnen erzwingen, sondern – wie in Salz- burg und Graz – auch das geplante Bauvorhaben verhindern. Zum massenmobilisierenden Schlüsselkonflikt von überregionaler Bedeutung wurden jedoch die Auseinandersetzungen um die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks (AKWs) in Zwentendorf. Nachdem Österreich bis zur Verabschiedung des Staatsvertrages jegliches Engagement im Bereich der Atomenergie verboten war, wurde die friedliche Nutzung der Kernkraft ab Mitte der 1950 Jahre zu einem Thema. Konkret in Angriff genommen wurde der Einstieg in
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