Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Wirth, AktivistInnen für Reformen, Umweltschutz und Frieden 241 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Maria Wirth AktivistInnen für Reformen, Umweltschutz und Frieden: Die Neuen sozialen Bewegungen im Österreich der 1960er bis 1980er Jahre Summary: Wie in allen westlichen Industriestaaten traten auch in Österreich mit den Neuen sozialen Bewegungen ab den späten 1960er Jahren neue politische Akteure in Er- scheinung. Hierzu gehören die Studenten-, Frauen-, Umwelt-, Alternativ-, Friedens- und Dritte-Welt-Bewegung, deren AktivistInnen sich für unterschiedliche Ziele einsetzten: Von einer Demokratisierung der Universitäten über die Einführung der Fristenregelung bis zur Verhinderung eines Atomkraftwerks in Zwentendorf. Dabei ist es ihnen sowohl ge- lungen, konkrete Entscheidungen zu beeinflussen, als auch Politik und Gesellschaft lang- fristig zu verändern. Einleitung Die späten 1960er bis frühen 1980er Jahre sind durch einen mehrfachen Wandel von Gesell- schaft und Politik geprägt. Dies zeigte sich nicht nur daran, dass nach zwei Jahrzehnten der Großen Koalition die WählerInnen mobil wurden und es zunächst zur Bildung einer Allein- regierung durch die ÖVP (1966–1970) und dann durch die SPÖ (1970–1983) kam. Es bildeten sich mit den so genannten Neuen sozialen Bewegungen auch neue Akteure, um Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung zu nehmen. Soziale Bewegungen in Österreich – Voraussetzungen und Charakteristika Eine wichtige Voraussetzung für die „neue Beweglichkeit“ stellten die ökonomischen Ver- änderungen seit 1945 dar, die zu einer Aufweichung der traditionellen Sozialmilieus führ- ten. Der expandierende Tertiärsektor (Dienstleistungen) und die wachsende Zahl der An- gestellten bildeten die Basis für eine „neue Mittelschicht“. Das Wirtschaftswachstum, der Ausbau des Sozialstaats und des Bildungssystems ermöglichten immer mehr Menschen ein Leben in Wohlstand und sozialer Sicherheit. Die Aufstiegschancen und die Möglichkei- ten zur Teilhabe an einer wachsenden Konsum- und Freizeitgesellschaft wuchsen. Dadurch verloren nicht nur jene sozialen (und in weiterer Folge auch konfessionellen) Bruchlinien, die bisher für das politische System und die österreichische Gesellschaft konstitutiv gewe- sen waren, an Bedeutung. Es zeichnete sich neben einer stärkeren Individualisierung auch ein Wertwandel ab. Neue Themen- und Konfliktfelder, die quer zum Parteienschema verlie- fen und oft mit immateriellen (postmaterialistischen) Anliegen verbunden waren, traten in den Vordergrund. Zum Träger dieser Forderungen wurden mit der Studenten-, Frauen-, Umwelt-, Alterna- tiv-, Friedens- und Dritte-Welt-Bewegung die Neuen sozialen Bewegungen wie sie ab den 1960er Jahren in allen westlichen Industriestaaten entstanden sind. Diese hatten als Ge-

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