Erziehung und Unterricht 2018/3+4
238 Steffek, (Un)ausgesprochen Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 „Mein Persönlicher Eindruck: Ich war fasziniert über die Aussagen der Zeitzeugen. Ich hatte mir wirklich vorstellen können wie sich das Geschehen abgespielt haben könnte. Schade war es, dass der dritte Zeuge nicht kommen konnte. Ich wäre froh, wenn ich hören könnte, was er zu diesem Thema sagen würde. Die Zeugen waren sehr sympathisch und konnten sich gut ausdrücken. Mein Argument dazu: So gefällt mir Geschichte, wenn wirkliche Zeugen von früher in der Stunde teilhaben können. Man hat handfeste Beweise vor sich. Diese zwei Stunden, die wir mit den Zeitzeugen verbracht hatten, werde ich nie bzw. kann ich auch nie vergessen.“ 19 Abschließende Bemerkungen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gehen aktiv auf ihr Gegenüber zu und eröffnen in der Regel von sich aus das Gespräch. Sehr rasch entwickelt sich ein vertrautes Verhältnis, wobei ihnen ein hohes Maß an Autorität zugeschrieben wird. Die Schülerinnen und Schüler asso- ziieren mit ihnen Wissen und (Lebens-)Erfahrung, erwarten von ihnen die Wahrheit („Wie es gewesen ist“) zu erfahren. Dennoch löst die Konfrontation mit der Geschichte ihrer El- tern und/oder (Ur-)Großeltern zum Teil sehr unterschiedliche Reaktionen aus. Das Spekt- rum reicht von Betroffenheit, Bewunderung und Anerkennung, über Demut und Scham bis hin zu Abwehr und Verleugnung. Trifft letzteres zu, ist es wichtig, die Auslöser zu eruieren und kritisch zu hinterfragen: Welche Assoziationen, eigene Erinnerungen, Lebensansprü- che, Ängste und/oder Phantasien werden mit dem Gehörten verbunden? Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der moralisch mahnende Charakter, den Zeitzeugen- gespräche, vor allem im schulischen Kontext, besitzen. Eines der Ziele, wenn nicht das wichtigste, ist die Sensibilisierung für Menschenrechte und Toleranz. Daher sind insbeson- dere die Lehrkräfte gefordert, sich mit der multikulturellen Zusammensetzung der Klassen auseinanderzusetzen und die Themen Rassenhass, Verfolgung und Ausgrenzung mit heu- tigen politischen Phänomenen in Verbindung zu bringen. In diesem Sinn appellierte Her- mann Langbein immer wieder an sein Publikum: „Es ist immer leicht zu gehorchen, jemandem zu folgen. Denn wenn es schief geht, kann man sich ausreden: ‚Was kann ich dafür! Der und der hat es gesagt!‘ Das ist billig, leicht. Sucht euch nicht den leichteren Weg! Ich will euch den Rat mitgeben: Geht nur einen Weg, den ihr selber verantworten könnt. Wenn etwas von euch verlangt wird, was ihr nicht ver- antworten zu können glaubt, denkt zuerst nach und holt Erkundigungen ein, und wenn ihr nicht überzeugt werdet, tut es nicht! Auch dann nicht, wenn es hie und da einen blauen Fleck kostet, auch dann nicht, wenn es mit Unannehmlichkeiten verbunden sein kann.“ 20 ANMERKUNGEN 1 Salus 1981, S. 53. 2 Bericht über die Vortragsreise, S. 4. ÖStA/AVA, Depot: Langbein E/1797, Karton 297, Mappe 1. 3 Bruha 1987, S. IX. 4 Zum 20. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager. Bulletin des Comité International des Camps 7 , S. 2. 5 Langbein 1965. 6 Brief des Comité International des Camps an den Bundesminister für Unterricht vom 16. Juli 1966. ÖStA/AVA, Depot: Langbein E/1797, rote Ordner „Österreich“ 7.
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