Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Steffek, (Un)ausgesprochen 237 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 denkveranstaltungen etc. gehen und mit den dort Anwesenden ins Gespräch treten und über ihr Leben und ihre Erfahrungen berichten. Irma Trksak hat sich beispielsweise „beim ersten Schritt in die Freiheit“ selbst das Ver- sprechen gegeben, über das, was sie erlebt hat, zu berichten, „damits eben nie wieder zu einer politischen Situation in unserem Land kommt, die DAS ERMÖGLICHT überhaupt.“ 18 Andere wiederum – wie Max Schneider und Helene Neuhaus – wurden von Freunden, Ver- wandten und/oder Bekannten aus ihrem Umfeld aufgefordert, sich als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen für Gespräche zur Verfügung zu stellen. Hierbei spielten auch politische Be- /Gedenkjahre und damit in Zusammenhang stehende Veranstaltungen und Gedenktage, aber auch Ausstellungsinitiativen, Schul- und Universitätsprojekte, Filmvorführungen und Ähnliches sowie der „Kampf“ um die erst nach und nach erfolgte Anerkennung einzelner Opfergruppen eine wichtige Rolle, wie die Beispiele von Erna Kosnar , Rudolf Karger oder Hermine Liska zeigen. Wieder andere, wie beispielsweise Jonny Moser , begannen die Ge- spräche mit den ihnen folgenden Generationen erst, nachdem sie ihre Lebensgeschichte verschriftlicht beziehungsweise veröffentlicht hatten. Nicht zuletzt steht auch für viele von ihnen der Anspruch im Raum, über die Vergangenheit, ihre Erlebnisse in der Zeit des Na- tionalsozialismus, zu sprechen, um die Toten nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Aber worüber wird konkret gesprochen? So berichteten beziehungsweise berichten bei- spielsweise Dagmar Ostermann , Irma Trksak und Antonia Bruha über ihr Überleben als Frauen im Widerstand und in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern; Hermine Liska und Katja Sturm-Schnabl über die Verfolgung aufgrund ihrer religiösen Überzeugung beziehungsweise als Angehörige der Kärntner Sloweninnen und Slowenen aus der Sicht von Kindern; Hans Landauer über seine Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) und die spätere Verfolgung unter dem NS-Regime; Hugo Pepper und Alfred Ströer über ih- ren Widerstand in der Deutschen Wehrmacht beziehungsweise die Zeit in der Strafdivision 999; Hermann Lein über den katholischen Widerstand sowie Franz Danimann und Her- mann Langbein über den Widerstand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern und das KZ-System selbst. Wenn Zeitzeuginnen und Zeitzeugen Bilder ihrer verfolgten und von den Nationalsozia- listen ermordeten Familien zeigen, Auschwitz-Überlebende wie selbstverständlich wäh- rend des Gesprächs ihre tätowierten Unterarme entblößen, so tun sie dies nicht, um zu schockieren, sondern um ihr Publikum zu sensibilisieren und ihm vor Augen zu führen, wie die Realität gewesen ist und wohin diese letztendlich geführt hat. Im Zentrum steht stets das eigene (Er-)Leben in der Zeit 1938-1945. Dennoch hat es sich als sinnvoll erwiesen, nicht erst mit dem 12./13. März 1938 zu beginnen und mit der Befrei- ung durch die Alliierten 1945 zu enden, sondern die eigene Lebensgeschichte historisch einzubetten und ebenso die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen, der eigenen Eltern, der Familie zu schildern. Andererseits enden die Gespräche, vor allem aufgrund der gestellten Fragen, nicht mit 1945. Trotz dieser „Erweiterung des Themas“ ist es unerlässlich, dass die Schülerinnen und Schüler durch ihre Lehrkräfte vorbereitet werden. Es bedarf ei- ner grundsätzlichen inhaltlichen Vor- und Nachbereitung, da gerade die Jahrgänge der Un- terstufen, die 13- bis 15-Jährigen, trotz der heutigen medialen Aufklärung durch Fernsehen und Internet und/oder des Wissens, das sie vom Elternhaus mitbekommen, meist kaum über zeithistorische Kenntnisse verfügen. Der Zeitzeugenbesuch darf nicht den Einstieg in die Thematik darstellen. Der Erfolg hängt weitgehend von den Lehrkräften ab, denn Zeit- zeuginnen und Zeitzeugen können und sollen diese nicht ersetzen. So schreibt eine Schü- lerin:

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