Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Unterwurzacher, „GastarbeiterInnen“ (1961–1973) 229 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 an (vgl. für die türkeistämmige Bevölkerung Şimşek 2017; für jugoslawische Vereine siehe Bratić 2003). Trotz dieses allmählichen Wandels hin zur Niederlassung samt Familiennachzug blieben staatliche aber auch zivilgesellschaftliche Betreuungseinrichtungen und spezielle Ange- bote für „GastarbeiterInnen” in dem hier betrachteten Zeitraum lediglich punktuell (vgl. Hahn & Stöger 2014, S. 30f.). Auch im schulischen Bereich waren die Maßnahmen für SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache lange Zeit relativ begrenzt bzw. galten, wie im Falle des muttersprachlichen Unterrichts, als Maßnahme, um den Kindern eine spä- tere Remigration zu erleichtern. Generell hielt Österreich bis weit in die 1980er Jahre hinein am „GastarbeiterInnenmodell” fest: Gesellschaftliche Integration war prinzipiell nicht vor- gesehen. In den österreichischen Printmedien wurde die Ausländerbeschäftigung anfangs relativ nüchtern in Form von zahlenmäßigen Überblicken dargestellt (vgl. Böke 2000, S. 168). Ab Ende der 1960er Jahre wurden „GastarbeiterInnen” dann vereinzelt als Problem wahrge- nommen und benannt; zugleich wurden aber auch vermehrt ihre Probleme in der österrei- chischen Gesellschaft thematisiert (z. B. Unterbringung in Elendsquartieren). Häufiger als von den Probleme der „GastarbeiterInnen” wurden jedoch von negativen Einstellungen der ÖsterreicherInnen gegenüber ArbeitsmigrantInnen berichtet. Einen Wendepunkt in der „GastarbeiterInnen”-Diskussion markiert schließlich das Jahr 1973: Rund um den Wahl- kampf zum Wiener Landtag wurden erstmals Forderungen nach einer Reduzierung und „Eindämmung des Zustroms” an GastarbeiterInnen laut (ebd., S. 176) – so etwa titelte die Arbeiterzeitung am 22.09.1973 „Der Plafond ist erreicht”. Trotz dieser ersten Versuche, das Thema politisch zu instrumentalisieren, setzte sich in dieser Phase der „Kolaric-Konsens” (Betonung der Nützlichkeit, Solidaritätsappelle, Hinweis auf weiter zurückliegende Migra- tionsgeschichte der länger ansässigen Bevölkerung) weitestgehend durch. Erst in den 1980er Jahren wurde der bis dahin dominierende paternalistische Nützlichkeitsdiskurs durch einen rassistischen Diskurs, wie wir ihn bis heute kennen, abgelöst (vgl. Fischer 2009). Zusammenfassung Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwunges wurden in Österreich Anfang der 1960er- Jahre dringend Arbeitskräfte benötigt. Ein Kompromiss zwischen den Sozialpartnern machte es durch Anwerbung in den Mittelmeerländern möglich, der Wirtschaft die nötigen Hilfs- und AnlernarbeiterInnen zuzuführen. Durch die Koppelung des Aufenthalts an eine Arbeitsbewilligung, die für lediglich ein Jahr ausgestellt wurde, wurden die „Gastarbeite- rInnen” zur flexible einsetzbaren Arbeitsmarktreserve. Ihre Zuweisung auf Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich mit belastenden Arbeitsbedingungen (Lärm, Schmutz, Monotonie, kör- perliche Anstrengung usw.), ungünstigen Arbeitszeiten (Schichtarbeit) und dem Risiko, saisonal oder konjunkturell arbeitslos zu werden, führte zu einer Unterschichtung der be- sehenden Sozialstruktur. Insgesamt hat die politische Ausgestaltung der „Gastarbeit”, die die Rechtsstellung der „GastarbeiterInnen” in vielen Bereichen einschränkte und keine In- tegration vorsah, spezifische Exklusionsrisiken erzeugt, die bis heute nachwirken. Trotz der überaus prekären Arbeits- und Lebensbedingungen und des im Laufe der Jahre zunehmen- den Rassismus hat sich ein Teil der als „GastarbeiterInnen” zugewanderten Menschen dau- erhaft in Österreich niedergelassen und ihre Familie nachgeholt bzw. in Österreich welche gegründet.

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