Erziehung und Unterricht 2018/3+4
224 Unterwurzacher, „GastarbeiterInnen“ (1961–1973) Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Anne Unterwurzacher „GastarbeiterInnen“ 1 (1961–1973) Summary: Der Zeitraum von 1961 bis 1973 gilt als die Phase der aktiven Anwerbung von „GastarbeiterInnen“ für die österreichische Wirtschaft. Mittels Anwerbeabkommen wur- den Menschen aus Jugoslawien und der Türkei nach Österreich geholt, um diejenige Arbeit am Bau, in den Fabriken und im Gastgewerbe zu verrichten, die ÖsterreicherInnen kaum mehr machen wollten. Die politische Ausgestaltung der „Gastarbeit“ in Österreich zog spezifische Exklusionsrisiken nach sich, die die Lebenslagen zugewanderter Menschen und ihrer nachgeholten Familien jahrzehntelang prägten. Einleitung EIN MENSCH AUS JUGOSLAWIEN 2 [Mit Porträtfoto] Mirko Ivancic. 26 Jahre alt. Geboren in Ulcinj. Siebentes von 14 Kindern. Vater Bauer. Mutter Bäuerin. Von Kind an Arbeit gewohnt. Kann schreiben und lesen. Heiratet. Hat einen Buben und zwei Mädchen. Will ein Haus und Schafe oder eine Kuh. Arbeitet in Österreich. Am Bau. Verdient 6.000,– mit Überstunden. Zahlt für die Schlafstelle 750,–. Ißt wenig. Trinkt nichts, raucht nichts. Legt das Geld Auf eine Bank. Trägt ein Photo seines Sohnes mit sich. Auch auf dem Bau. UNSER GAST DER GASTARBEITER. Diese in der Arbeiterzeitung veröffentlichte Anzeige ist Teil der in Österreich berühmt ge- wordenen Kolaric-Kampagne. Unter dem Titel „Aktion Mitmensch“ begann die Wiener Wer- bewirtschaft ab 1972 in Printmedien und auf Plakatwänden Anzeigen zu schalten, um „das Image der Gastarbeiter zu heben“ (Arbeiterzeitung 18.1.1971, S. 7). Diese Anzeige enthält jene appellativen Elemente, die für den paternalistischen Nützlichkeitsdiskurs der damali-
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