Erziehung und Unterricht 2018/3+4
Schmidlechner, Österreich in den 1950er Jahren 219 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 hilfe eingeführt. In diesem Jahr wurde auch ein Mutterschutz-Gesetz beschlossen, das den Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und einen Anspruch auf einen sechs- bis zwölfmonatigen Karenzurlaub vorsah. Der Aufschwung Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 1950er Jahren verbesserte sich auch der Le- bensstandard der meisten Österreicherinnen und Ö sterreicher. (vgl. Renn 2009, S. 130) Allein in den Jahren 1954 bis 1960 stiegen die Nettolöhne der ArbeitnehmerInnen pro Kopf real um über 30 %. Von 1958 bis 1963 erhöhte sich das Pro-Kopf-Einkommen um real 21 %. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten. Die Kaufkraft wuchs stark an, die privaten Konsumausgaben stiegen im gleichen Zeitraum um 45 %. (vgl. Rießland 1985, S. 94) 1956 war der Lebensstandard doppelt so hoch wie 1950. (vgl. Hanisch 1994, S. 440) Von 1950 bis 1960 nahm der private Konsum real um 71 % zu. Die Ausgaben für Nahrungs-und Genussmittel stiegen dabei um 50 %, die für Bekleidung um 68 %, die für Unterricht, Bil- dung und Unterhaltung um 81 % und die für Verkehrsmittel um 169 %. Ab 1954 verschob sich die Nachfrage, die sich in den ersten Nachkriegsjahren vor allem auf Nahrungsmittel konzentriert und sich ab 1950 auf Textilien und 1951 auf Schuhe verlagert hatte, zusehends auf langlebige Konsumgüter. (vgl. Sandgruber 1985, S. 118) Kühlschränke, Mixer, Waschma- schinen, Staubsauger, Geschirrspüler wurden zu begehrten Gütern. Gerade dieser Markt stellte ein großes Wachstumspotential dar. So wurden 1954 48.000, 1965 700.000 Kühl- schränke verzeichnet. Besaßen 1955 nur 3,4 % der ö s terreichischen Haushalte einen Kü h l- schrank waren es 1957 knapp 9 %. Im selben Jahr gab es etwa 300.000 Elektroherde und 80.000 Doppelkochplatten in Ö s terreichs Haushalten, so dass ungefähr 17 % der Haushalte ganz oder zumindest teilweise mit elektrischem Strom kochten. Ein Anstieg war auch bei den Waschmaschinen zu verzeichnen. 1955 verfügten lediglich 1,7 % über eine Waschma- schine, 1961 waren es 12,3 %, 1965 schließlich 20,6 Prozent. Auch der Staubsauger zog in die Familien ein, aber auch preisintensivere Anschaffungen wie Fernsehapparate wurden ab 1955 in größeren Mengen verkauft. 1957 wurden 12:500, 1958 bereits 33.000 Fernsehgeräte angemeldet. Daneben wurde die Wohnungseinrichtung zu einem wichtigen Wohlstandsin- dikator. Einrichtungsgegenstände wie Schrankwandmöbel, Stehlampen und Nierentische wurden zu begehrten Gütern, darunter die Küche nach amerikanischer Art, das Wohnzim- mer mit Einbaumö b eln und das eigene Badezimmer. (vgl. Renn 2009, S. 131) Neben diesen Anschaffungen wurden zwischen 1950 und 1956 der Roller und das Motor- rad, danach vor allem das Auto zum dominierenden Symbol des Wirtschaftswunders. Der Besitz eines solchen war das unverkennbare Zeichen, dass „man es geschafft hatte“. Der KFZ-Bestand hatte sich zwischen 1950 und 1960 mehr als verfünffacht. Ende 1964 waren bereits mehr als 700.000 PKW zugelassen, „Freiheit“ und „Individualitä t “ wurden in das Auto hineinprojiziert und waren nunmehr käuflich erwerblich. 5 Auch die Ausgaben für Bildung, Unterhaltung – dazu zählten v.a. Kinobesuche – und Er- holung stiegen zwischen 1950 und 1960 und zwar auf mehr als das 2,5-fache. Wichtig wur- den auch Sommerurlaube, die nicht nur in Österreich, sondern zunehmend auch im Aus- land verbracht wurden. Zu den begehrtesten Zielen zählte damals Italien. (vgl. Rießland 1985, S. 98) Konsumkultur Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung – der unmittelbar zu besseren Lebensbedingungen führte – und der vermehrten Freizeit verbunden war der Durchbruch einer amerikanisier-
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