Erziehung und Unterricht 2018/3+4
218 Schmidlechner, Österreich in den 1950er Jahren Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Karin M. Schmidlechner Österreich in den 1950er Jahren Summary: Mit dem Wirtschaftsaufschwung ab Mitte der 1950er Jahre kam es auch zu einer Verbesserung des Lebensstandards vieler ÖsterreicherInnen, sodass auch langlebige Konsumgüter wie Elektrogeräte, Wohnungseinrichtungen, Motorräder bzw. Autos und Urlaubsreisen leistbar wurden. Damit verbunden war der Durchbruch einer amerikani- sierten Konsumkultur, die gravierend zur Veränderung des Alltagslebens der Österreiche- rInnen beitrug. Im Zuge dieser Entwicklung zeigte sich, dass auf die eigentlich gesell- schaftlich unerwünschte Frauenarbeit nicht mehr verzichtet werden konnte. Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich in der Nachkriegszeit 1 Die österreichische Nachkriegswelt war paternalistisch, autoritär, obrigkeitshörig und fromm. Besonders in der unmittelbaren Nachkriegszeit war es zu einer Stärkung des tradi- tionellen kirchlichen Milieus gekommen und zumindest auf dem Land bestimmte die Kir- che sehr stark den Zeitrhythmus, den Alltag und den Festtag der Menschen. 2 Dieser Ein- fluss der Kirche auf die Bevölkerung verringerte sich erst ab Mitte der 50er Jahre, nicht zu- letzt wegen des Durchbruchs der Konsum- und Freizeitgesellschaft. (vgl. Hanisch 1994, S. 427) Nachdem die gröbsten Trümmer beseitigt und die schlimmste Not mit ausländischer Hilfe gelindert war, begann der Wiederaufbau. 3 Vorrangiges Ziel der damaligen Wirt- schaftspolitik war, die österreichische Wirtschaft wettbewerbsfähig zu machen, die Zah- lungsbilanz auszugleichen und der Bevölkerung „eine sozial erträgliche Lebenshaltung“ ( Mulley 1985, S. 22) zu sichern. (Vgl. ebda ) Auch in dieser Zeit kam für Österreich Hilfe aus dem Ausland. Mit dem sogenannten ERP „European Recovery Program“, allgemein bekannt unter Marshall-Plan, wurde der ökono- mische Wiederaufbau in Österreich finanziert. Österreich bekam damals rund 1,1 Milliarden US-Dollar in Form von Hilfsgütern und Geld geschenkt, was nach Meinung von Ökonomen einen Entwicklungsvorsprung von zehn Jahren ergab. 4 Ab Mitte der 1950er Jahre hatte sich die österreichische Wirtschaft wieder erholt: Viele Wohnhäuser, Fabriken, Straßen, Bahnlinien wurden wiederhergestellt, Wasserkraftwerke und Brücken wurden gebaut. Die Landwirtschaft wurde modernisiert und konnte wieder mehr Nahrungsmittel für die Bevölkerung erzeugen, auch der Tourismus nahm wieder zu und das Land erlebte einen Aufschwung, sowohl, was das Wachstum des realen Sozialpro- dukts pro Einwohner als auch den Wandel der Wirtschaftsstrukturen anlangte. Zwischen 1950 und 1960 nahm das Bruttonationalprodukt in Österreich um fast 75 % zu. ( AK-Wien 1959, zit. nach Mulley 1985, S. 25f) Auch der Ausbau des Wohlfahrtsstaates machte in dieser Zeit Fortschritte. 1955 wurde das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geschaffen, fünf Jahre später die 45-Stunden- Woche eingeführt, (vgl. Hanisch 1994, S. 440) 1964 drei Wochen Urlaub gesetzlich festge- legt. 1950 wurde die Kinderbeihilfe für unselbständig Erwerbstätige, 1955 die Geburtenbei-
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