Erziehung und Unterricht 2018/3+4
Rohrbach, „Besatzungskinder“ – Die Kinder alliierter Soldaten und österreichischer Frauen 213 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 schwarzer Truppenangehöriger der US-Armee bzw. die Nachkommen marokkanischer Sol- daten der französischen Kolonialregimenter, denen aufgrund ihrer Hautfarbe zusätzlich die Integrationsfähigkeit in eine weiße österreichische Gesellschaft abgesprochen wurde. Während die Anzahl der Kinder marokkanischer Soldaten nur für Vorarlberg beziffert wer- den kann – aus einem Schreiben der Vorarlberger Landesregierung aus dem Jahr 1955 geht hervor, dass in Vorarlberg 71 Kinder marokkanischer Soldaten geboren wurden 2 –, liegt die österreichweite Anzahl von Kindern schwarzer GIs bei ungefähr 400. ( Wahl, Rohrbach, Adler 2016, S. 46). Aufgrund ihres unehelichen Status stand ein Großteil der „Besatzungskinder“ von An- fang an bis zu ihrer Volljährigkeit unter Vormundschaft des Jugendamts. Auch dort gab es nicht selten Vorwürfe des Personals, die den Müttern einen unstetigen Lebenswandel und eine fragwürdige Sexualmoral vorwarfen und ihnen deshalb die Fähigkeit absprachen, die Mutterrolle adäquat ausüben zu können. Zahlreiche der – oft sehr jungen Frauen – hielten den gesellschaftlichen und behördlichen Druck nicht aus und sahen sich gezwungen, ihre Kinder wegzugeben. Viele der Kinder wuchsen bei Großeltern oder bei österreichischen Pflege- sowie Adoptiveltern auf, wurden in Heimen untergebracht oder landeten – speziell wenn es sich um Kinder schwarzer GIs handelte – über den Weg der Auslandsadoptionen in den USA, wo sie von schwarzen Ehepaaren großgezogen wurden. Im Folgenden wird anhand eines Interviews und anhand eines autobiographischen Tex- tes ein Schlaglicht auf die Lebensgeschichten von Kindern alliierter Soldaten geworfen. Schwierige Ausgangsbedingungen Ein großer Teil der Mütter, die Kinder von alliierten Soldaten hatten, wurden nicht nur durch Außenstehende diskriminiert, sondern waren häufig auch Ausgrenzung innerhalb der eigenen Familie ausgesetzt. Das war auch bei Inge Schnabels Mutter der Fall. Schnabel wurde 1946 im Burgenland geboren. Ihre Mutter hatte den russischen Besatzungssoldaten kennengelernt, als dieser nach der Befreiung gemeinsam mit anderen Soldaten in ihrem Haus einquartiert worden war. Es entstand eine Beziehung aus der eine Tochter hervor- ging. Nach Abzug des Kindesvaters war Schnabels Mutter auf sich allein gestellt. Das Ju- gendamt drängte sie dazu, das Kind wegzugeben, da von väterlicher Seite keine finanzielle Unterstützung zu erwarten war – ein Problem vor dem die meisten Mütter alliierter Kinder standen, da es sich bei den Vätern um Mitglieder der Besatzungsmächte handelte, die nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit unterstanden und somit auch nicht zu Unter- haltszahlungen herangezogen werden konnten. Trotz aller Schwierigkeiten weigerte sich die Mutter, die Tochter wegzugeben, was in der Familie zu Konflikten führte. So schreibt Schnabel über die Zeit nach ihrer Geburt: „Es begann eine Zeit der immerwährenden Dis- kriminierung für meine Mutter. Selbst ihre eigene Mutter, meine eigene Großmutter, bot keinerlei Hilfe oder Rückhalt“ ( Schnabel 2015, S. 418). Zu einer Veränderung der Situation kam es erst, als sich Schnabels Großvater schützend hinter seine Tochter und seine Enkelin stellte und damit bewirkte, dass die Beiden schlussendlich in der Familie akzeptiert wur- den. Ähnliche Szenarien spielten sich auch in vielen anderen Familien mit Kindern alliierter Soldaten ab. Oft war es so, dass es die Unterstützung einer im Familienverband bedeuten- den Person benötigte, um die Ausgrenzung der ‚Besatzungskinder‘ und ihrer Mütter durch andere Familienmitglieder zu durchbrechen. Gänzlich anders gestaltete sich die Situation bei Linda O., die 1955 in Salzburg als Tochter eines schwarzen amerikanischen GIs geboren wurde. Wie aus ihrem Jugend- amtsakt hervorgeht, zogen sie die Behörden anfangs für eine Auslandsadoption in Erwägung; Linda kam dann allerdings im Alter von zehn Monaten im Raum von Graz zu
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