Erziehung und Unterricht 2018/3+4

210 Rohrbach, „Besatzungskinder“ – Die Kinder alliierter Soldaten und österreichischer Frauen Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Philipp Rohrbach „Besatzungskinder“ – Die Kinder alliierter Soldaten und österreichischer Frauen Summary: Im vorliegenden Beitrag wird ein Schlaglicht auf die Lebensgeschichten von Kindern alliierter Soldaten und österreichischer Frauen geworfen. Dabei wird nicht nur auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der österreichischen Nachkriegszeit Bezug genommen, sondern damit zusammenhängend auch auf die Um- stände, die zu den Begegnungen zwischen den Kindesvätern und -müttern führten. Wei- ters wird der Versuch unternommen, ihre Anzahl zu beziffern und einige zentrale The- menbereiche zu skizzieren, die für die Lebensverläufe dieser Personengruppe prägend waren. Österreich unter alliierter Besatzung Im Frühjahr 1945 drangen sowjetische, amerikanische, britische und französische Truppen kämpfend auf das Gebiet des heutigen Österreichs vor. Vielenorts auf heftigen Widerstand stoßend, beendeten sie die nationalsozialistische Herrschaft in den ehemaligen „Alpen- und Donaureichsgauen“. Im Zonenabkommen vom 9. Juli 1945 legten die Alliierten die Auf- teilung Österreichs in vier Besatzungszonen fest: Niederösterreich, der auf dem linken Do- nauufer gelegene Teil Oberösterreichs und das wiederhergestellte Burgenland wurden sowjetische Besatzungszone; Kärnten, Osttirol und die Steiermark fielen den Briten zu. Die Franzosen erhielten Vorarlberg und Tirol und die Amerikaner besetzten Salzburg und den auf dem rechten Donauufer gelegenen Teil Oberösterreichs. Wien wurde von den vier Be- satzungsmächten gemeinsam verwaltet. Anfang Mai 1945 befanden sich etwa 700.000 alliierte Soldaten in Österreich, wobei ihre Zahl bis Jahresende auf 385.000 – davon etwa 200.000 sowjetische, 75.000 britische, 70.000 amerikanische und 40.000 französische Soldaten – sank ( Stelzl-Marx 2012, S. 498). In den darauffolgenden Jahren verringerten die alliierten Mächte ihre Truppenpräsenz noch stär- ker, sodass 1955 nur noch 40.000 Sowjets und 20.000 Westalliierte im Land stationiert wa- ren ( Vocelka 2002, S. 319). Das von den Alliierten befreite und in der Folge besetzte Österreich lag nach Ende des Zweiten Weltkriegs versorgungstechnisch und ökonomisch am Boden. Große Teile der In- dustrie und der Infrastruktur waren im Krieg zerstört worden, die meisten Städte glichen Trümmerfeldern. Mangel war allgegenwärtig. Ende 1945 lag die Nahrungsmittelversorgung pro EinwohnerIn bei durchschnittlich etwas mehr als 1.000 Kalorien (Vgl. Rauchensteiner 2005, S. 83). Ohne Unterstützung der Besatzungsmächte sowie weiterer Hilfslieferungen aus dem Ausland, wäre das Land nicht aus der Krisensituation herausgekommen. Ab 1948 hatte Österreich allerdings das Schlimmste hinter sich, was sich unter anderem auch daran zeigte, dass der tägliche Kaloriensatz auf 2.100 Kalorien ( Rauchensteiner 2005, S.151) ange- hoben werden konnte. Die unmittelbare Not und Härte der Kriegszeit waren überwunden; von einem idealen und unbeschwerten Leben war die österreichische Bevölkerung aller- dings noch weit entfernt.

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