Erziehung und Unterricht 2018/3+4
Brettl, Erzwunge Wege – Das Burgenland und die Auswanderung 195 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Rückkehr in das wirtschaftlich und gesellschaftlich rückständige Österreich kam für sie nie in Frage. ( Császar , 15.01.1992) Rückkehr in ein Krisenland? Maria träumte immer von der Rückkehr in die alte Heimat, die jedoch aus finanziellen Gründen zunächst unmöglich war. In den 1930er Jahren stellte sich die Frage der Rück- wanderung immer seltener, da Österreich von der Wirtschaftskrise arg gebeutelt wurde. Der kleine Konjunkturaufschwung ab 1925 wurde 1929 durch den Ausbruch der Weltwirt- schaftskrise abrupt unterbrochen. Den Tiefpunkt der Depression markierte das Jahr 1933, als das reale Nationalprodukt nur 81 % von dem im Jahr 1913 betrug. Betriebsschließungen und Entlassungen in den Industriegebieten führten dazu, dass zahlreiche burgenländische Industrie- und Bauwanderarbeiter in die Heimat zurückkehrten. Die Zahl der Arbeitslosen stieg während der Krise im Burgenland von 1929 bis 1933 um 75 % an. Diesen stand meist nur mehr die Notstandshilfe zu, sodass bittere Armut drohte. ( Floiger, Gruber, Huber 1996, S. 209) Um der wirtschaftlichen Not zu entgehen, versuchte auch so mancher Burgenländer im Ausland Arbeit zu finden. Die Wanderarbeiter verschlug es unter anderen nach Frankreich, in die Türkei, wohin unter anderen Bauarbeiter aus dem Südburgenland durch das Arbeits- amt vermittelt wurden, und vor allem nach der Machtübernahme durch die Nationalsozia- listen 1933 nach Deutschland. (Burgenländische Heimat vom 26. April 1929) Auch die burgenländische Landwirtschaft wurde bald von der Wirtschaftskrise erfasst, da die vielen Arbeitslosen als Konsumenten ausfielen, wodurch es in der Folge zu einer Ab- satzkrise kam. Insbesondere die Weinbauern und Fleischproduzenten traf die Misere hart. Zudem überschwemmte billiges Getreide aus Übersee den österreichischen Markt. Die rui- nösen Agrarpreise führten zur Verschuldung der Betriebe, die vielfach mit Hypotheken be- lastet waren. ( Floiger, Gruber, Huber 1996, S. 209) Den wirtschaftlichen Krisen folgten zunehmend politische Wirren, die später in den Zweiten Weltkrieg mündeten. In dieses krisengeschüttelte Österreich kehrten die wenigs- ten in Südamerika lebenden Emigranten zurück. In der Zeit nach dem Krieg unterstützten die Migrantinnen ihre Familien in Österreich mit Paketsendungen, die zumeist Bedarfsarti- kel wie Wäsche beinhalteten. Der Briefkontakt mit der daheimgebliebenen Schwester Margarethe wurde nach 1945 immer geringer, da die Schreibschrift zunehmend in Verges- senheit geriet. ( Kern , 16.12.1992) Umgekehrte Gegebenheiten Die Kinder der Einwanderer passten sich den Verhältnissen in Argentinien an und assimi- lierten sich zunehmend. Eine Rückwanderung in die ihnen unbekannte Heimat ihrer Eltern war für sie trotz der sich verändernden wirtschaftlichen Lage ausgeschlossen. ( Brettl 2001, S. 209) Während die argentinische Wirtschaft in den 1950er Jahren nach und nach in die Rezession schlitterte, kam es im Nachkriegsösterreich zu einem Wirtschaftsaufschwung, von dem auch die burgenländische Bevölkerung profitierte. Während für Maria, ihr Gatte Koloman verstarb schon 1956, ein Besuch der ehemaligen Heimat aus finanziellen Gründen nie in Betracht kam, entschied sich Teresa nach dem Tod ihres Ehemanns, das Auto zu verkaufen und mit dem Erlös ihren Geburtsort Andau, den sie 46 Jahre zuvor verlassen hatte, und ihre Schwester Margarethe zu besuchen. 1974 blieb sie für mehrere Monate in Österreich. Ihre dabei getätigte Bemerkung „Hier ist heute Ame- rika“, blieb den Anwesenden bis heute in Erinnerung. 1 ( Kern , 16.12.1992)
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