Erziehung und Unterricht 2018/3+4

194 Brettl, Erzwunge Wege – Das Burgenland und die Auswanderung Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Gelegenheitsarbeiten als Maurer, Ziegelarbeiter, Glaser und Hafenarbeiter an, die jedoch sehr schlecht bezahlt wurden. Zudem fehlten in Argentinien jegliche Sozialleistungen, so- dass ein wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg kaum möglich war. Als deutsch-ungarische Arbeitskraft gehörte er in Argentinien, einem Land das von der italienisch-spanischen Ein- wanderung geprägt war, der unteren sozialen Schicht an. Dennoch blieben Koloman und Maria auf Grund fehlender Alternativen in Argentinien. ( Kern , 03.01.1993) Maria führte in Argentinien den Haushalt und betreute den gemeinsamen Sohn Koloman junior, der im August geboren wurde. Bei dessen Registrierung am Meldeamt wurde aber der Name Augusto vermerkt, da man den Geburtsnamen mit dem Geburtsdatum verwechselte. Die fehlenden Sprachkenntnisse führten zu diesem Missverständnis, das erst beim Schuleintritt von Koloman bemerkt wurden. Maria erlernte auch in den folgenden Jahren kaum die spanische Sprache. Nach der Geburt der weiteren Kinder Maria und Mi- chael widmete sie sich weiter der Kinderbetreuung und der Haushaltsführung. ( Kern , 19.2.1991) Die Einwanderer aus Andau und der näheren Umgebung blieben auch im fernen Argen- tinien unter sich. Mehr als die Hälfte der Immigranten fand Ehepartner und Ehepartnerin- nen, die aus der ehemaligen Heimatgemeinde oder einem anderen burgenländischen Dorf nach Südamerika gekommen waren. Zum Teil heirateten sie Personen aus Deutschland, bei denen es auch keine Sprachbarrieren gab. Die „Andauer-Gemeinschaft“ verbrachte auch ihre Freizeit gemeinsam, sie machten Ausflüge, besuchten „heimische“ Gaststätten, organ- isierten Feierlichkeiten oder trafen sich in deutschen Sport- und Gesellschaftsvereinen. Nach entbehrungsreichen und arbeitsreichen Jahren konnten sich Maria und Koloman ein kleines Grundstück im Vorort Lanus kaufen, wo auch zumeist Landsleute ihre Nachbarn waren. In den folgenden Jahren konnten sie sich ein einfaches kleines Haus errichten, das weitgehend aus Baumaterialresten bestand. Gegenseitige Hilfe unter den „Landsleuten“, wie beispielsweise beim Hausbau, war eine Selbstverständlichkeit. ( Brettl 2001, S. 207) Trotz der Gemeinschaft blieb die „neue Heimat“ für Maria fremd. Das südländische Le- bensgefühl und die Großstadt Buenos Aires wurden Maria nie vertraut. Sie blieb auch wei- terhin ihrer alten burgenländischen Tradition verhaftet, was durch die Kleidung, die Spra- che und die Lebensform zum Ausdruck kam. Immer wieder klagte sie in Briefen an die Schwestern und Eltern im Burgenland ihr Leid und ihr Heimweh. ( Kern , 19.2.1991) Theresia/Teresa Pelzer Um der so unglücklichen Maria zu helfen, beschloss 1928 ihre erst 17-jährige Schwester Theresia ihr nach Argentinien nachzufolgen. Gegen den Willen der Eltern schloss sie sich unbekümmert einer örtlichen Auswanderergruppe an, um der Enge des Dorfes und des El- ternhauses zu entfliehen. Als unbegleitete Minderjährige wurde ihr bei der Ankunft im Ha- fen von Buenos Aires zunächst die Einreise verwehrt. Erst zwei Tage später konnte sie das Schiff verlassen und in Argentinien einreisen, nachdem ihre Schwester Maria und Schwa- ger Koloman für sie bürgten und fälschlicherweise angaben, dass sie für Theresia bereits eine Arbeitsstelle gefunden hätten. ( Brettl 2001, S. 121) Sehr bald fand sie Arbeit im Haus- halt einer deutschen Familie und später als Industriearbeiterin. Theresia war offen für das neue liberale Land, erlernte schnell die spanische Sprache und änderte ihren Namen in die spanische Form. Ihre beiden Ehepartner fand sie in der burgenländischen Vereinigung. Te- resa und ihr Gatte partizipierten am wirtschaftlichen Aufschwung Argentiniens in den 1940er-Jahren und schufen sich einen bescheidenen Wohlstand. Ihre Ehen blieben kinder- los, sodass sie ihre Schwester, Nichten und Neffen finanziell unterstützen konnte. Eine

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