Erziehung und Unterricht 2018/3+4

190 Brettl, Erzwunge Wege – Das Burgenland und die Auswanderung Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Herbert Brettl Erzwungene Wege – Das Burgenland und die Auswanderung Summary: Über Jahrhunderte hinweg war das Burgenland ein vernachlässigtes Rand- gebiet, das geprägt war von einer Landwirtschaft mit ungünstiger Besitzstruktur und kaum nennenswerter Industrie und das seine Bewohner nicht ausreichend versorgen konnte. Die rückständige Wirtschafts- und Sozialstruktur zwang die Einwohner zum Ver- lassen der Heimat. Bis 1923 wanderten zahllose Burgenländer und Burgenländerinnen in die USA aus, bis die US-Regierung die Migration beschränkte. Fortan fanden die Wirtschaftsflüchtlinge in Kanada oder in den Küstenstädten Brasiliens und Argentiniens einen Ersatz. Das fremde Argentinien brachte zwar nicht allen Migranten Glück, doch eine Rückwanderung in das krisengeplagte Burgenland war kaum eine Alternative. Einleitung Maria Pelzer wuchs in einem landwirtschaftlich dominierten burgenländischen Dorf auf. Viele Perspektiven bot ihr das Land nicht. Wirtschaftliche Not und private Konflikte be- stimmten ihr weiteres Schicksal. Ihr Dasein war geprägt von der Tradition der alten Heimat und dem erzwungenen Aufbruch in die neue Heimat Argentinien – ein Zwiespalt, der sie ein Leben lang begleitete. Das Dorf an der Grenze – Die begrenzten Möglichkeiten Andau im Jahre 1925. Rund 2.400 Einwohner zählte das Dorf an der Grenze zu Ungarn, das geradezu charakteristisch für das ganze Burgenland war. Die Erwerbstätigkeit beschränkte sich vielfach auf die männliche Bevölkerung, wobei diese zu 87 % in der Landwirtschaft tä- tig waren. Die Bauern betrieben eine gemischte Landwirtschaft, wobei Ackerbau und Vieh- zucht dominierten. Große Flächen im Süden der Gemeinde konnten auf Grund ihrer Feuch- tigkeit nur als Wiesen bewirtschaftet werden. Die Besitzstruktur war denkbar ungünstig. Ein Großgrundbesitzer verfügte über rund 15 % des Bodens und neben ein paar größeren Bauernwirtschaften versuchten zahlreiche landwirtschaftiche Kleinbetriebe ihren Lebens- unterhalt in Form von Subsistenzwirtschaft zu bestreiten. ( Allg. Landestopographie 1954 , S. 148f). Rund 70 % aller Betriebe waren Kleinbetriebe, die durchschnittlich nur eine Fläche von 5,7 ha bewirtschafteten; und die traditioelle Erbteilung führte zu immer weiterer Besitzzersplitterung. Eine goße Anzahl der Ortsbewohner war zudem gänzlich besitzlos und verdingte sich auf den Meierhöfen und Bauernhöfen als Taglöhner beim Getreide- schnitt, bei der Zuckerrübenernte oder anderen Tätigkeiten. ( BLA. Reg.Archiv. XII/2-244- 1961 ) Der Verdienst, der zumeist in Naturalien bestand und in den Wintermonaten ausfiel, reichte kaum zum Überleben. Alternativen gab es nicht, da Industriearbeitsplätze in dieser Region fehlten und auch die Kleingewerbebetriebe, die zur Grundversorgung der Bevölke- rung und der Landwirtschaftsbetriebe dienten nur wenigen Menschen einen Arbeitsplatz boten.

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